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31.08.2017

Wider die geistige Windstille

Urs Kessler über Gäste und Touristen, Marketing und Politik

Die Jungfraubahnen sind touristisch und kommerziell ein Schweizer Trumpf. Seit vollen dreissig Jahren baut Urs Kessler am Erfolg mit, die letzten 10 Jahre als CEO.

Urs Kessler lernte ursprünglich Betriebsdisponent in Interlaken und trat vor dreissig Jahren ins Unternehmen der Jungfraubahnen ein. Während er sich permanent weiterbildete, wurde er 1990 Leiter der kommerziellen Dienste und übernahm 1994 als Mitglied der Geschäftsleitung den Gesamtbereich Marketing und Betrieb. 2007 ernannte ihn der Verwaltungsrat, der heute vom St. Galler Professor Thomas Bieger präsidiert wird, zum Vorsitzenden der Geschäftsleitung.

Herr Kessler, wie geht es dem Schweizer Tourismus?

Urs Kessler: Der Schweizer Tourismus ist kurzfristig in einer guten Phase. Die wirtschaftliche Entwicklung in Europa ist erfreulich, wenn der Euro bei 1.20 Franken steht, wird das mittelfristig positive Effekte haben und uns helfen, teilweise verlorene Märkte wieder zurückzugewinnen – womit ich bei den unerfreulichen Aspekten bin.

Längerfristig müssen wir selbstkritisch feststellen, dass wir in einem international stark wachsenden Tourismus stagnieren und nicht vorwärtskommen. Und wir entwickeln uns von einem Ferienland zu einem Touringland, das lediglich ein Etappenziel einer Rundreise ist.

Und wie geht es dem Tourismus in der Jungfrauregion?

Wir haben auch Schwierigkeiten auf den europäischen Märkten und mit dem Wintersport, konnten das aber wettmachen mit der Nachfrage aus Asien, wo wir namentlich in China zu den Ersten gehörten, die auf den dortigen Märkten präsent waren. Diese Märkte hatten zuletzt etwas gelitten, aber sie haben sich erholt, und wir sind gut auf Kurs.

Wo hat die touristische Schweiz Fortschritte gemacht, wo nicht?

Fortschritte haben wir in Asien und auf anderen Fernmärkten gemacht, und ganz grundsätzlich hat die Schweiz weltweit eine starke Markenposition. Das ist uns aber oft gar nicht bewusst, und gerade im Tourismus tun wir auch nicht besonders viel für die Stärkung dieser Position.

Rückschritte mussten wir in Europa verzeichnen, vor allem in Deutschland und Grossbritannien. Und ein Rückschritt ist auch die verlorene Position als Ferienland: Im Sommer, aber zunehmend auch im Winter machen die Gäste nicht mehr Ferien in der Schweiz, sondern reisen etappenweise von einem Land zu uns und weiter ins nächste.

Ist das umkehrbar?

Wir müssen das umkehren, auch wenn es schwierig ist. Ein wichtiger Schlüssel ist dabei das Preis-Image. Die Kostenführerschaft kann nicht unser Ziel sein, im Gegenteil: Wir müssen mit unserer hohen Qualität und einer starken Marke punkten.

Im Vergleich zur Leistung sind unsere Angebote gar nicht überteuert. Wir müssen schlicht selbstbewusster auftreten. Ich bin überzeugt, dass die Gäste bereit sind, für ein gutes Produkt und eine Qualitätsmarke auch einen gewissen Preis zu bezahlen. Wir können preislich zwar in praktisch allen Bereichen mit der Konkurrenz in unseren Nachbarländern mithalten, spielen das jedoch nicht aus.

Wozu raten Sie?

Im Sommer- wie auch im Winterhalbjahr müssten die Leistungsträger dahinkommen, vorab bei schwachen Auslastungen günstige Pakete zu schnüren und diese selbstbewusst zu vermarkten – wir brauchen uns nämlich nicht zu verstecken. Für jeden Leistungsträger, sei es nun ein Hotel oder eine Bergbahn, ist eine gute Auslastung zentral. Aber auch Destinationen leben von belebten Orten.

Ist es nicht Aufgabe der DMOs, Pakete zu schnüren und zu verkaufen?

Zwar reden hier immer alle vom Verkauf, aber DMOs haben ja nichts zu verkaufen, denn die Produkte kommen von den Leistungsträgern. Es gibt denn auch keine DMO, die wirklich erfolgreich Produkte gestaltet – allenfalls können sie Leistungsträger darin unterstützen. Insofern brauchen wir auch neue Vermarktungsmodelle, die etwa Kapazitäten poolen.

Wozu sind denn Tourismusorganisationen gut?

Tourismusorganisationen sollen grundsätzlich die Nachfrage wecken, und zwar von Schweiz Tourismus über die kantonalen Organisationen bis zu den DMOs.

Tun sie das nicht?

Gibt es regelmässige Marketing Audits, hinterfragen und prüfen wir kritisch die Marketingaktivitäten? Ich habe nicht den Eindruck, obschon klar ist, dass man nicht vermarkten kann, was man nicht messen kann. Ich habe vielmehr den Eindruck, man wolle sich gar nicht messen lassen.

Die Tourismusmanager müssen ihre Anspruchsgruppen zufriedenstellen…

Manchmal habe ich wirklich den Eindruck, dass vor lauter operativer Hektik geistige Windstille herrscht. Wir haben ein schlechtes Preis-Image, aber tun nichts dagegen. Wenig tun wir auch gegen die extreme Abhängigkeit von OTAs, die uns bis 25 Prozent Kommission abverlangen und zusätzlich kassieren, wenn wir gut positioniert sein wollen. Und statt dass wir Schweizer Leuchttürme vermarkten und Markenbotschafter wie zum Beispiel Roger Federer gewinnen, bewerben wir unbekannte Seitentäler und überschlagen uns mit immer neuen Konzepten und Strategien.

Der Bund kommt auch wieder mit einer neuen Tourismusstrategie.

Manchmal denke ich, dass es für die Branche am besten wäre, wenn sich der Bund ganz heraushielte. Zwar ist allen klar, dass staatliche Subvention und Intervention sowohl Kreativität wie auch Innovation behindern. Aber gleichzeitig fordern wir Unterstützung und erhalten sie mit Innotour, mit NRP oder mit der SGH auch. Das führt dazu, dass es uns als Tourismusbranche zwar grundsätzlich nicht gut geht, aber insgesamt leiden wir auch nicht und sind nicht gezwungen zu handeln.

Diese Saturiertheit ist gefährlich, und sie erklärt teilweise, warum einerseits in vielen Familienbetrieben die Nachfolger fehlen und die Betriebe umgenutzt oder verkauft werden – während andererseits Subventionen fliessen, die nichts nützen oder sogar schaden.

Die Tourismusbranche alleinlassen?

Wenn schon, müssten wir kreative und innovative Unternehmer fördern, die von ihren Projekten überzeugt sind und den Mut haben, Risiken einzugehen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu tragen. Aber statt dass wir anerkennen, dass es ohne unternehmerisches Risiko nicht gehen kann, versuchen wir eher, die Risiken möglichst auszuschalten – ein gefährlicher Teufelskreis.

Und im strategischen Tagesgeschäft: die Zukunft von ST, die Olympischen Winterspiele, der Wintersport?

Schweiz Tourismus braucht einen Markenspezialisten, der sich vor allem um den Brand Schweiz und die Markenführung kümmert – und zwar in Zusammenarbeit mit anderen Branchen wie den Banken oder der Maschinenindustrie, die den Wert der Marke Schweiz oft besser kennen und mehr schätzen als die Touristiker.

Was die Olympischen Winterspiele angeht, wünschte ich mir eine Kandidatur, die das ganze Land erfasst und weitgehend auf bestehende Infrastrukturen setzt. Es täte der Schweiz gut, wieder einmal etwas Grosses auf die Beine zu stellen, und es täte dem Sport gut. Der Wintersport wiederum braucht wieder ein Ferienland Schweiz, und er braucht die jungen Generationen, die sich dafür begeistern.

Was er aber nicht braucht, ist Strukturerhaltung und Stillstand. Wenn Wintersportgebiete, die kommerziell nicht überleben können, weiterhin systematisch gefördert werden, untergräbt das die wirtschaftlich gesunden Unternehmen. Und wenn die Jungfraubahnen daran gehindert werden, sich zu erneuern und zu entwickeln, gefährdet das die Existenz einer ganzen Region.

Das klingt nicht zuversichtlich?

Doch, langfristig bin ich zuversichtlich für die Jungfraubahnen und für unsere Region, aber auch für das Reise- und Ferienland Schweiz. Denn wir haben immer noch viel Qualität, wir haben herausragende Standortvorteile und tolle Produkte, und wir haben eine extrem starke Marke.

Peter Grunder / GastroJournal

Urs Kessler, CEO der Jungfraubahnen. Bild: Peter Grunder


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