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07.06.2015

Dörfer retten ihre "Seelen"

Westschweizer Behörden setzen sich für ein Gemeindewirtshaus ein

Wo der Markt Restaurants zur Aufgabe zwingt, springen Bürger oder Gemeinden ein und kaufen die Liegenschaften.

"Ich kann keinen Fall nennen, wo die Gemeinde ihr Gasthaus schloss, um es in Wohnungen oder Büros umzunutzen. Hingegen ist dies bei Einrichtungen von Privaten schon vorgekommen", sagt Remi Susset, Unternehmensberater bei Gastroconsult in Pully.

Beispiele und genaue Zahlen darf er auf Grund des Berufsgeheimnisses zwar nicht nennen, doch sei er regelmässig mit den zuständigen Behörden in Kontakt. "Wir unterstützen sie beispielsweise darin, eine ungeeignete Raumaufteilung neu zu überdenken, wenn sich die Küche zum Beispiel im ersten Stock befindet; oder ein Konzept auszuarbeiten", erklärt der Prokurist.

In den Augen Sussets "kümmern sich die Behörden in der Regel gut um die Gemeindewirtshäuser, da sie grossen Wert auf die Unterhaltungsarbeiten legen". Um sich davon zu überzeugen, genügt es, die Regionalpresse durchzublättern: Die Bürger stimmen oftmals den nötigen Krediten zu, um ein Gemeinderestaurant zu renovieren oder umzugestalten.

In den letzten Monaten hat im Kanton Freiburg die Gemeinde Villeneuve eine halbe Million Franken für sein Kaffee bewilligt, Rossens eine Viertelmillion, um das Hotel-Restaurant du Barrage wieder auf Vordermann zu bringen, Châtonnaye brachte 150'000 Franken auf für eine neue Ventilation und Grolley investierte 2.6 Millionen Franken in einen grossen Saal, direkt neben dem Gasthaus gelegen.

Auch im Kanton Waadt will die Bevölkerung nicht nur die Kirche im Dorf behalten. Wie die Tageszeitung "24 Heures" im Januar enthüllte, haben die beiden Lavaux-Gemeinden Puidoux und Bourg-en-Lavaux, von einem Besitzerwechsel profitiert um in ihren Restaurants Bauarbeiten durchzuführen. "Aus Angst, ein Schlafdorf zu werden."

Im Parlament von Bourg-en-Lavaux hingegen ging der Kreditbewilligung von 436'000 Franken zur Erneuerung der Küche und den Sanitäranlagen eine heftige Debatte voraus. Dennoch: «Jeder Abgeordnete fühlt sich ein bisschen als Patron des Wirtshauses», sagte ein Gemeinderat. In Saint-Sulpice wurden erneut 70000 Franken gutgeheissen, die zusammen mit einem ersten Kredit von 200000 Franken dazu dienen, die Instandsetzung der Terrasse des Landgasthofs voranzutreiben.

In der Deutschschweiz liegt der Lead derzeit bei Genossenschaften. Sowohl das Lägernstübli in Boppelsen als auch die Post in Rifferswil wurden aus privater Initiative gerettet. In Häggenschwil, das bereits gegen die Schliessung der Krone kämpfte, stimmten die Bürger dem Kauf des Ochsen zu. Die Kritiker monierten, es sei nicht Aufgabe der Gemeinde, eine Beiz zu retten. Am Ende stimmten die Bürger mit zwei Dritteln dem Kaufpreis von 750'000 Franken zu.

Während die Landbeizen ums Überleben kämpfen und die Bevölkerung entsprechend gewillt ist, in sie zu investieren, scheint das in der Stadt kaum mehr der Fall zu sein. Beispielsweise in Genf, wo zwei Renovationskredite für das Perle du Lac und das Hotel de Ville – der erste in der Höhe von 7.8 Millionen und der zweite von 2.5 Millionen Franken – in den vergangenen Monaten vom Stadtrat zurückgewiesen wurden, scheinen die Bürger je länger desto weniger dazu geneigt sein, öffentliche Gelder in eine Kneipe zu investieren. Dazu muss gesagt werden, dass in der Stadt bereits ein breites Angebot besteht.

Auf dem Lande hingegen haben die Dorfbewohner noch einen relativ starken Bezug zum Gasthaus. Sofern es nicht mit einer Mehrzweckhalle oder einem andersartigen Getränkeausschank zu konkurrieren hat. In Rossens, wo das Hotel du Barrage im Februar nach einmonatigen Bauarbeiten wieder eröffnet hat, zeigen sich die Dorfbewohner "erleichtert und glücklich darüber, dass ihr Kulturgut erhalten blieb". Sogar die Jugendlichen haben ins Kaffee im "Vintage-Style" zurückgefunden.

In Bussy, im Freiburger Broyebezirk, entpuppt sich Vize-Gemeinde¬ammann Denis Chassot als ein bedingungsloser Fan des Gemeindewirtshauses. "Seit 29 Jahren bin ich nun im Gemeinderat und ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass dieses 100-jährige Etablissement erhalten bleibt. Ich bin hier sozusagen geboren, denn mein Grossvater und mein Vater haben den Betrieb geführt", erzählt er.

"Die Gemeinde verdient am Gasthaus kein Geld. Sie verfolgt ein anderes Ziel: Das Restaurant aufrechtzuerhalten, gehört zu ihrer sozialen Rolle. Meiner Meinung nach ist das Wirtshaus für das Dorfleben noch wichtiger als die Schule. Hier halten wir am Sonntag den Aperitif ab, hier treffen wir uns um einfachere oder auch schwierigere Themen anzugehen", lässt er sich in Lokalzeitungen zitieren.

Doch keine Regel ohne Ausnahme. Dies zeigt sich in Léchelles, wo das Gemeindewirtshaus nicht "als bevorzugte Begegnungsstätte angesehen wird". Seit der Ankunft des Chefs Dominique Coispine im 2002 "handelt es sich vor allem um ein gastronomisches Restaurant, und die getätigten Investitionen dienten dazu, das Ansehen des Restaurateurs zu verbessern», präzisiert Gemeindeammann Stéphane Mosimann. "Die damalige Miete rechtfertigte die Investitionen."

Heute sind die Behörden von Léchelles der Ansicht, dass für ein Dorf wie das ihrige "das traditionelle Gemeindewirtshaus in seiner Form nicht mehr zwecksmässig ist". Sie haben daher dieses Gebäude sowie das Verwaltungsgebäude an ein Immobilienunternehmen verkauft, bei dem die Gemeinde mit über 100 Einwohnern Aktionärin ist.

"Dank der Léchandon AG hat sich unsere Investitionskapazität vergrössert, was uns erlaubt, eine Halle für einen vielseitigen Gebrauch, veranschlagt auf 3 Millionen Franken, unter anderem mit einem Sitzungszimmer für die lokalen Gesellschaften, zu erstellen", sagt der Gemeindeammann. "Mittelfristig wird eine Umgestaltung des zum Teil geschützten Gasthauses in Betracht gezogen, denn die Treffen werden woanders im Dorf stattfinden."

"Wenn die Gemeinden ihrem Gastwirt eine Chance geben wollen, ist es in ländlichen Gegenden wichtig, dass sie eine angemessene Miete festlegen, ohne dabei dem Wirt ein Geschenk zu machen", fügt Remi Susset hinzu.

Für Gilles Meystre, ehemaliger Geschäftsführer und neuer Präsident von GastroVaud, ist die Miete nicht das einzig wichtige Element, das es mit dem Übernehmer zu verhandeln gilt. "Die Behörden dürfen auch betreffend Öffnungszeiten nicht allzu viel erwarten. Auch wenn dies manchmal im Gegensatz zur Tradition steht, sind die Öffnungszeiten ans Konzept anzupassen."

Die Präsidentin von GastroFribourg, Muriel Hauser, betont: "Um bestehen zu können, müssen die Dorfrestaurateure sich von den anderen abheben können. Und dies bestimmt nicht, indem sie ihre Preise stark reduzieren. Vielmehr durch einen charmanten Empfang, ein spezielles Konzept und insbesondere durch ihre Professionalität", erinnerte sie an ihrer Jahresversammlung.

"Ich kann bestätigen: Die Restaurateure, die gut arbeiten, können sich auch auf dem Lande ihren Lebensunterhalt verdienen", fügt Remi Susset hinzu. Die Gemeinde muss nur das Glück haben, "die richtige Person" zu finden, die gewillt ist, die Herausforderungen anzunehmen.

Der Gastroconsult Filialdirektor von Saignelégier, Jean-Louis Donzé, drückt sich pessimistischer aus: "Die typischen ländlichen Dorfbetriebe sind aus strukturellen Gründen schlicht und einfach nicht mehr existenzfähig. Die Dörfer werden je länger desto mehr zu Schlafdörfern, und wenn keine touristische Klientel besteht, ist die Anzahl potenzieller Gäste zu klein, um überleben zu können", betont er. In solchen Fällen können Gemeinden das Dorfrestaurant, das sich in privater Hand befindet, aufkaufen, um so seinen Fortbestand zu garantieren.

Dies war der Fall im freiburgischen Ependes, wo die Einwohner einverstanden waren, der Auberge du Château eine zweite Chance zu geben. Vor vier Jahren stimmten sie einem Kredit von 960'000 Franken zu, um das Gebäude, das die privaten Besitzer in Wohnungen für Betagte umbauen wollten, zu kaufen und zu renovieren. Die damaligen Worte des Bürgermeisters Philippe David brachten den Gemütszustand von zahlreichen Dorfbewohnern auf den Punkt: "Ein Dorf ohne Restaurant, ist ein Dorf ohne Seele."

Francis Granget / GastroJournal


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