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23.04.2019

Das hohe C des Geschmacks

Die passende Musik zum Essen

Der Gastrophysiker Charles Spence erforscht wie Essen mit passender Musik besser schmeckt. Und erklärt, was Nina Simone und Justin Bieber damit zu tun haben.

Charles Spence ist Professor für experimentelle Psychologie im Crossmodal Forschungslabor an der Universität Oxford und nennt sich Gastrophysiker. Eines seiner Forschungsgebiete widmet sich der Auswirkung von Musik auf den Geschmack des Essens.

Der 49-jährige Engländer ist Träger des IG Nobel Prize, eines satirischen Anti-Nobelpreises, der wissenschaftliche Leistungen ehrt, welche die Menschen erst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen. Er ist verheiratet, lebt neun Monate pro Jahr in Oxford und drei Monate in Kolumbien. Weilt er in der Schweiz, isst er am liebsten im Restaurant von Denis Martin in Vevey.

Der Mann hat Humor. Er sitzt im Gotthard-Saal des Park Hotel Vitznau über sein Mittagessen gebeugt und ist sofort mitten im Erzählen. «Haben Gäste an einem Buffet die Wahl zwischen italienischen und spanischen Speisen, wählen sie unbewusst die Gerichte des Landes, dessen Musik im Hintergrund gespielt wird», sagt er.

Professor Charles Spence beschäftigt sich mit der sensorischen Wahrnehmung von Lebensmitteln, wie der Wechselwirkung von Essen und Musik. «Musik kann Gaumen reinigen, den Geschmack beeinflussen und das Esserlebnis intensivieren.»

Sein Forschungsgebiet des akustischen Würzens (Sonic Seasoning) ist experimentell und verspielt. Dies belächeln manche seiner Akademikerkollegen, halten es für inte­ressant, allenfalls lustig, aber nicht für seriös. Wissenschaft soll ernst sein, sobald sie Spass macht, sei es keine Wissenschaft mehr. Professor Charles Spence hingegen ist es todernst damit.

Eine ganze Sinfonie

Um Musik erfolgreich mit Kulinarik zu verbinden, kommt es auf die Typologie der Musik an. Saure Musik klingt scharf und unharmonisch. Für bittere Musik stehen tiefe Töne wie jene in Carmina Burana oder bei den gregorianischen Chören; ein Vertreter der süssen Musik mit ihren dünnen und eher hohen harmonischen Tönen ist Mike Oldfield. Des Weiteren gibt es noch cremige, salzige oder scharfe Musik.

Ist es möglich, einen Song zu komponieren, der perfekt zu einem bestimmten Gericht passt? Der Professor nickt und führt aus, dass bei einem vielschichtigen Gericht zum Beispiel eines mit bitteren und blumigen Noten und einer seidigen Komponente, die passende Musik verwendet werden kann, um den Gast mehr zu diesem oder jenem Geschmack hinzuleiten.

«Chef Denis Martin in Vevey serviert ein Gerichte auf ei­nem Löffel. Es besteht aus Thunfisch, weisser Schokolade, Wasabi und Himalayasalz», schwärmt Spence. «Das Erlebnis im Mund spielt sich in vier Sequenzen ab. Zuerst löst sich das Salz auf, dann entfaltet sich der Wasabi, gefolgt von der Fettigkeit des Thunfischs mit der schmelzenden Schokolade. Es wäre toll, dafür Musik zu komponieren! Es wäre eine ganze Sinfonie…»

Jeder Gastronom kann profitieren

Wer im Restaurant oder Hotel etwas ändern möchte, soll es einfach mal probieren, die Investitionen seien minimal. Spence rät, jungen und passionierten Köchen zu erlauben, ihren iPod während der Arbeit anzustellen. Und die Musik im Gastraum zu wechseln. Denn es gibt tatsächlich Musik, die zu jedem Gericht passt. Spence lächelt. «Es sind die Songs der Black-Classical-Music-Sängerin Nina Simone. Auch Ambientmusik funktioniert.»

Es erstaunt nicht, dass Musik in der Küche auch die Köche beeinflusst. Abgesehen vom geschmacklichen Resultat, stellen einige Küchenchefs Musik an, um ihre Mitarbeiter zu motivieren. Nicht immer ohne Eigennutz – laute und schnelle Musik lässt Köche automatisch schneller schneiden. Andere Küchenchefs bevorzugen das Arbeiten in totaler Ruhe. Spence kooperiert mit bekannten Köchen wie Heston Blumenthal in London, Ferran Adria in Katalonien und Charles Michel in Bogotà.

Aktuell arbeitet er mit dem Koch und Multisensoriker Jozef Youssef von der Kitchen Theory in London zusammen. An den viermal monatlich stattfindenden Gastrophysics Chefs Table essen zehn Gäste etwa ein Hasen-Enten-Gericht, welches mit Musik untermalt ist und durch Lichtprojektionen zwischen Hase und Ente wechselt. Spence ist hin und weg: «Die Frage ist, was die Gäste am Ende geschmacklich erlebten – Hase oder Ente? Ein Experiment in Echtzeit.»

Unabhängig bleiben

Andere Köche kommen direkt nach Oxford zu Spence ins Labor, um zu forschen. Inzwischen merken immer mehr Firmen wie Nahrungsmittelhersteller und andere Grosskonzerne, dass Gastrologik funktioniert.

Unangenehm könnte es werden, wenn die Industrie die Studien benutzen würde, um Kunden zu manipulieren. Der Professor stimmt zu: «Absolut. Aber das kann ich weder kontrollieren noch stoppen. Fast alles, was wir erforschen, wird veröffentlicht.»

Auch wird Spence öfters mit der Vermutung des Interessenkonflikts konfrontiert. «Sobald Untersuchungen von der Lebensmittelindustrie finanziert sind, kommt der Verdacht auf, wir wollten die Leute damit zum vermehrten Kauf anregen. Das ist Blödsinn», sagt Spence. «Unilever finanzierte vor 15 Jahren unser Labor. Aber wir sind unabhängig und machen, was wir wollen und was uns interessiert.»

Ironie des Lebens

Inzwischen ist der Professor beim Dessert angelangt, einem Lemon-Cheesecake-Törtli. Er ist immer aufnahmefähig, auch in seiner Freizeit schaut er, was die Leute tun und sammelt stets Ideen für sein nächstes Experiment.

Oft isst er für seine Studien in Michelin-Sterne-Restaurants. «Das ist wunderbar, aber nach einer Weile bevorzuge ich wieder das Pub um die Ecke.» Und er liebt Pasta arrabiata, weil es ihm den Geschmack von Zuhause und Behaglichkeit vermittelt.

Charles Spence hat weder eine musikalische Ausbildung noch spielt er ein Instrument, ist aber professioneller Musikhörer, am liebsten Bach-Kantaten oder Glenn Gould. «Ich bin weder Koch noch Musiker. Ist es nicht ironisch, wo man endet?», meint er.

«Aber es macht Spass mit Köchen und Musikern zu arbeiten. Sie wissen genau, was sie tun. Ich hingegen habe wahrscheinlich nicht mal Geschmacksknospen!» Wirklich? Der Professor lacht. Wissenschaft macht eben doch Spass.

Tipps von Professor Charles Spence

Was passt am besten zu Schnecken in Kräuterbutter? «La vie en rose», Edith Piaf. Zu Fondue und Raclette? Baaba Maal & Mansour Seck, Djam Leelii (senegalesische Ethnomusik). Zu klassischem BBQ mit Fleisch & Würsten? Nirvana. Zu grünem Thai-Curry? Da ist das Essgeschirr wichtiger. Eine grobporige Schüssel aus Ton, designt von Reiko Kaneko.

Wird ein Gericht auf einem grossen, weissen Teller serviert, tendiert der Gast 40 Prozent mehr zu essen.

Das Essen schmeckt besser, wenn es mit schwerem Besteck, guter Qualität serviert wird.

Gäste sind generell spendabler, wenn im Hintergrund klassische Musik gespielt wird. (In den USA benutzen einige, in Innenstädten gelegene Fastfood-Lokale klassische Musik zu ganz anderen Zwecken: um das Herumlungern von Jugendlichen vor dem Lokal zu verhindern.)

Je lauter die Musik in einer Bar oder Club ist, desto mehr Drinks konsumieren die Gäste – bis zu 26 Prozent!

Corinne Nusskern / GastroJournal


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