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15.04.2008

Umsatzrückgänge und Lärmprobleme

Bündner Bars und Kneipen leiden unter dem Rauchverbot…

Seit anfangs März gilt im Kanton Graubünden ein Rauchverbot in öffentlich zugänglichen Lokalen. Wirte, die keine Fumoirs einrichten können, verzeichnen Umsatzverluste im zweistelligen Prozentbereich. Nachtruhestörungen nehmen zu. Erste Betriebe geben auf.

In den Bündner Restaurants darf nicht mehr geraucht werden. Erlaubt sind einzig separate Raucherräume, die jedoch nicht mehr als einen Drittel der gesamten Gastfläche ausmachen dürfen. Die meisten Betriebe können aus räumlichen oder finanziellen Gründen keine Fumoirs einrichten, denn diese müssen so gelegen und eingerichtet sein, dass kein Nichtraucher auf dem Weg zur Toilette oder zum Ausgang gezwungen ist, Tabakrauch einzuatmen. Erschwerend kommt hinzu, dass während der Betriebszeiten auch der rauchfreie Hauptteil des Betriebs offen halten muss. An der Hotelbar darf also beispielsweise nur solange geraucht werden, wie das Restaurant geöffnet ist.

Die ersten Erfahrungen mit dem Rauchverbot sind ernüchternd. Zahlreiche Wirte beklagen Umsatzverluste. Besonders betroffen sind Einraum-Betriebe. Die meisten Bars verzeichnen Rückgänge von 10 bis 20%, in Einzelfällen sind es sogar 30%. Wo sind nun die vielen Nichtraucher? Die anhaltende Umsatzschwäche lässt nur den Schluss zu, dass Leute, die schon bisher nicht oft ausgingen, nun nicht plötzlich zu regelmässigen Wirtshausgängern werden.

Roland Alder, Betreiber der Nachtlokale Octopussy und Pinup im Churer Vergnügungsviertel Welschdörfli, verzeichnete bei den Getränkeverkäufen "von heute auf morgen" einen Rückgang von 15%. Alder sagt, das Rauchverbot habe fast durch das Band negative Auswirkungen: "Ich kenne Betriebe, deren Umsatz um 30% eingebrochen ist.". Viele Gäste seien spürbar unzufrieden und der Lärm vor den Lokalitäten nehme zu.

Tom Leibundgut, Betreiber von Tom's Beer Box, verzeichnet "keine dramatischen Einbussen". Das habe damit zu tun, dass sein Lokal sehr klein sei und unkomplizierte, eher jüngere Gäste anspreche, denen es nicht so viel ausmache, zum Rauchen vor die Türe zu gehen. Ihn störe die dadurch entstehende Hektik: "Die Anwohner haben mir mitgeteilt, dass es draussen nun lauter sei." Besorgt ist Leibundgut auch über die Situation in seinem zweiten Betrieb, dem Musikclub Selig im Welschdörfli: "Hier gibt es für die Raucher nur wenig Platz auf dem Troittoir. Das führt zu Problemen mit der Verkehrssicherheit."

Ueli Caluori, der Kommandant der Churer Stadtpolizei, sagte gegenüber der Tageszeitung "Südostschweiz", die Personenansammlungen vor den gut frequentierten Restaurants hätten massiv zugenommen. Dadurch entstünden selbstverständlich zusätzliche Lärmimmissionen und ein Abfallproblem durch weggeworfene Kippen. Dass Lärmklagen aus der Nachbarschaft ein ernstes Problem sind, kann jeder bestätigen, der schon einmal damit zu tun hatte. Behördlich verfügte Einschränkungen von Öffnungszeiten werden sich wohl bald häufen.

Wenig Probleme hat die Polizei hingegen mit Verstössen gegen das Rauchverbot. Im Gegensatz zum zu Italien oder Frankreich werden die Wirte in Graubünden nicht zu "Raucher-Sheriffs" gemacht. Gebüsst werden nur die rauchenden Gäste. Der Wirt geht straffrei aus, solange er auf das Verbot hinweist und dem Rauchen keinen Vorschub leistet, z.B. mit Aschenbechern auf den Tischen. Bisher wurden noch keine Bussen ausgesprochen. Das hat vermutlich damit zu tun, dass es im Moment vor allem bei Ermahnungen bleibt.

In Graubünden sind die Gemeinden dafür verantwortlich, Verstösse zu ahnden. Vor allem kleinere Kommunen auf dem Land sträuben sich jedoch gegen neue gemeindepolizeilichen Aufgaben. Vielerorts fehlt es noch an einschlägigen Bestimmungen. Ob und welche finanziellen Mittel für die Kontrolltätigkeit bereitstehen, ist weitgehend unklar.

Szenewirt Tom Leibundgut stört sich sehr daran, dass es eine grosse Unsicherheit bei der Umsetzung und beim Vollzug des Rauchverbots gibt: "Es kommt nicht mehr darauf an, als Gastronom gut zu sein, sondern Glück zu haben." Dem Vernehmen nach machen einige Restaurants mit bedienten Fumoirs gute Geschäfte. Doch bei weitem nicht jeder hat die konzeptionellen oder räumlichen Voraussetzungen, um den Betrieb als "Raucherclub" oder mit Fumoir zu führen.

Ein solcher Betrieb ist das Restaurant Rhätische Bahn in Chur. Emilio Reich, der seit fünf Jahren erfolgreich auf dem "Bähnli" wirtet, beklagt Umsatzeinbussen von 30%. Seine Gäste seien nicht bereit, zum Rauchen wie Schuljungen auf die Strasse zu gehen. Früher verkaufte Reich 40 Kisten Flaschen- und sechs Container Offenbier, jetzt sind es nur noch 25 Kisten und vier Fässer. Bei sommerlichem Wetter seien die Einbussen geringer, weil er zum Glück einen schönen Garten habe. Dennoch musste der Wirt das Arbeitspensum seiner Serviceangestellten auf wenige Stunden pro Tag reduzieren.

Das Restaurant Astoria in Chur hat ebenfalls Personal abgebaut. Bereits sind sogar die ersten Betriebsschliessungen wegen des Rauchverbots zu beklagen. Die Restaurants Edelweiss und Kleinschönberg haben aufgegeben.

Georg Wieland vom Restaurant Du Thêatre, wo die Churer Lokalprominenz ein- und ausgeht, wird im Herbst wohl den Mitarbeiterbestand reduzieren müssen. An kalten Tagen büsse er 20% seines Umsatzes ein. Wieland: "Die Küchenumsätze sind zwar konstant, doch die betriebswirtschaftlich wichtigen Getränkeumsätze brechen ein." Leute, die früher sechs Mal pro Tag vorbei gekommen seien, um Kaffee zu trinken und Zeitung zu lesen, kommen teilweise nur noch einmal "für fünf Minuten". Ein grosses Ärgernis sei auch der Abfall: "Die ganze Stadt ist mit Kippen übersät."

Horst Salutt, Wirt im Rätushof, verzeichnet Einbussen von 12%, obwohl er in der glücklichen Lage ist, ein Fumoir anbieten zu können. Völlig eingebrochen sind die Digéstif-Verkäufe. Der Rätushof ist ein typischer Mischbetrieb, wie er in der Schweiz häufig vorkommt: Ein Teil der Gäste kommt nur zum Trinken, andere auch zum Essen. Der Getränkeanteil am Umsatz ist nun von 60% auf unter 50% gesunken.

Als Präsident von Gastro Chur erhält Salutt viele Rückmeldungen von Mitgliedern: Vor allem Kleinbetriebe beklagen sich über massive Einbussen. Salutt glaubt nicht, dass sich die Situation wieder normalisiert: "Die Büezer-Beizen werden verschwinden." Es gebe eine eindeutige Verlagerung zum Heimkonsum: "Private Feiern finden nun öfters in Garagen oder angemieteten Räumen statt."

Die Wirte stossen sich daran, dass in vielen Vereinswirtschaften weiterhin geraucht wird. Das ist legal, denn diese Betriebe sind – zumindest offiziell – nicht öffentlich zugänglich. In der Praxis sieht es freilich anders aus: Vielerorts verkehren nicht nur Mitglieder, sondern auch deren Freunde und Bekannte.

Nicht alle Betriebe machen negative Erfahrungen mit dem Rauchverbot. Das Restaurant im Hotel Wasserfall in Andeer verzeichne keine Rückgänge, meldet die Familie Melchior. Die Luft sei deutlich besser geworden und der Küchenumsatz sogar gestiegen. Die Raucher sitzen nun vermehrt auf der Terrasse, um zu rauchen. Der Hotelier sagt dazu: "Wir haben zwei zusätzliche Aschenbecher für draussen angeschafft. Mit dem Lärm haben wir bis jetzt keine Probleme."

Auch das Hotel Grischuna in Filisur bewertet das Rauchverbot positiv. Es gebe weder Umsatzverluste noch Lärmprobleme, schreibt die Familie Uffer. Der speisenorientierte Betriebe war allerdings schon zuvor weitgehend rauchfrei. Thomas Keel vom Sunstar Hotel Arosa hat festgestellt, dass sich die Anzahl der Nichtrauchergäste erhöht hat. Deren Verweildauer sei gestiegen. Keel: "Bisher haben sich erst wenige Raucher beschwert. Wir wollen deshalb ein Fumoir einrichten."

Jürg Raschein, der Leiter des Schulhotels an der Schweizerischen Schule für Touristik in Chur berichtet von Umsatzzuwächsen und positiven Erfahrungen: "Gäste, die wegen der Rauchbelästigung nicht mehr da waren, kommen wieder." Für Raucher wurde ein separater Raum geschaffen. Bei aller Freude, dass es auch Unternehmer gibt, die positive Erfahrungen machen, bleibt doch die Frage, weshalb diese ihre Betriebe nicht schon früher auf rauchfrei umstellten. Verboten war das ja nie!


Lieferanten leiden ebenfalls

Das Rauchverbot wirkt sich auch bei den Zulieferern des Gastgewerbes aus. Der Absatz von Fassbier geht zurück, während gleichzeitig die Detailhandels-Gebinde für den Heimkonsum weiter zulegen.

Ein Statement aus Bayern lässt erahnen, wie hoch die Rückgänge der Bierbrauer sind. Hans Eser, der Eigentümer der Schlossbrauerei Odelzhausen, sagte dem "Münchner Merkur", dass beim Fassbier ein Rückgang von 14 Prozent resultiere, während der Absatz von Flaschenbier leicht gestiegen sei. Es zieht die Konsumenten verstärkt in den privaten Bereich. Eser: "Viele Gäste verlassen schon schnell nach dem Essen das Lokal, um im Freundeskreis ein gemütliches Bier zur Zigarette zu konsumieren, oder sie bleiben gleich ganz zu hause." Besonders stark sei die Landgastronomie mit ihren Stammtischen und Kartenspielern betroffen.

Peter Egli, Regionaldirektor von Heineken Switzerland, in dessen Gebiet der Bündner Marktleader Calanda fällt, bestätigt markante Rückgänge beim Fassbier, ohne diese zu beziffern. Die meisten Kunden bestellen seit der Einführung des Rauchverbots spürbar weniger. Die Brauereien geben es zwar nicht gerne zu, doch der Bruttogewinn pro Liter ist im Gastronomiekanal wesentlich höher als im Detailhandel.


Ausweg Vereinswirtschaft?

Not macht erfinderisch. In Bayern schossen Raucherclubs wie Pilze aus dem Boden. Auch in Graubünden gibt es erste Versuche, auf diese Art die Raucherdrangsalierung zu umgehen.

Der Gastronom und DJ Klaus Fritz sorgte für Schlagzeilen, als er für das "English & Irish Pub" in Schiers Inserate schaltete, in welchen er darauf hinwies, dass es sich beim Lokal um die Räume des "Vereins Kultur- und Veranstaltungsservice Prättigau" handle. Die Mitgliedschaft könne jeder erwerben, der das 18. Altersjahr erreicht habe. Im Jahresbeitrag von fünf Franken ist das erste Bier oder ein Glas Prosecco inbegriffen.

Das kantonale Justizdepartement bestätigte, dass in Vereinsräumen, die nicht öffentlich zugänglich sind, kein gesetzliches Rauchverbot gelte. Die Anforderungen für die Erlangung der Mitgliedschaft müssten aber so gestaltet sein, dass nicht jeder sie erfüllen könne. Sowohl das kantonale Gesundheitsamt als auch der Gemeindepräsident von Schiers wollen nicht anerkennen, dass es sich beim "English & Irish Pub" um ein Vereinslokal handelt, obwohl alle Gäste an der Tür klingeln und ihren Mitgliederausweis vorzeigen müssen. Der Ausgang der Geschichte ist zur Zeit noch offen.

Auch Churer Wirte umgehen das Rauchverbot, indem sie ihre Lokale zu Member-Clubs umwandeln, wo nach Lust und Laune geraucht werden kann. Casper Demont, der Leiter der städtischen Gewerbepolizei, bestätigte der "Südostschweiz" dass die Bars "C'est la vie" und "Mainstation" den "Systemwechsel" schon vollzogen haben und weitere Anfragen bei ihm auf dem Tisch liegen. In München gibt es bereits 200 Raucherclubs. Es ist wahrscheinlich, dass auch in der Schweiz viele Lokale diesen Weg gehen werden, um ihre Existenz zu retten.


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