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13.08.2021

Mietzinsreduktion: Falsch interpretierter Gerichtsentscheid

Anspruch für geschlossene Restaurants und Bars besteht

In einem Urteil vom 2. August 2021 lehnt ein Einzelrichter des stadtzürcherischen Bezirksgerichts eine Mietzinsreduktion aufgrund der behördlichen Massnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Coronavirus ab. Das Urteil betrifft allerdings ein Modegeschäft und kann deshalb nicht auf die Gewerbemiete im Gastgewerbe übertragen werden. Die entscheidenden Unterschiede werden nachfolgend aufgezeigt. Ebenso wird über weitere wegweisende Urteile zur Geschäftsmiete während der aktuellen Pandemie informiert.

1. Anspruch auf Mietzinsreduktion gemäss Art. 259a und 259d OR

Im Entscheid lehnt der Richter einen Anspruch wegen Mangel am Mietobjekt ab. Zur Begründung wird im Wesentlichen angebracht, im konkreten Mietvertrag sei nicht zugesichert worden, dass das Mietobjekt zu einem bestimmten Zweck genutzt werden könne. Gastgewerbliche Verträge enthalten in der Regel aber ausdrücklich eine solche Zweckzusicherung, etwa mit der Umschreibung «zwecks Betrieb als Restaurant».

Regelmässig dürfte eine konkrete Anzahl von Sitzplätzen gar expliziter Gegenstand bei Vertragsverhandlungen und damit massgeblich für den Mietzins gewesen sein. Durch Zwangsschliessungen oder gesetzliche Massnahmen werden Zweck und Zusicherung zweifellos vereitelt.

Weiter betont das Urteil, dass es nicht relevant ist, dass der Vermieter an einer solchen öffentlich-rechtlichen Einschränkung kein Verschulden hat. In der Folge verkennt es allerdings, dass mit Blick auf den klaren Wortlaut von Art. 259a Abs. 1 OR einzig entscheidend ist, dass der Mieter im vertragsgemässen bzw. dem vereinbarten Zweck entsprechenden Gebrauch gestört ist. Es braucht mit anderen Worten eine Abweichung des Ist- vom vertraglichen Soll-Zustand, welche im Kontext der Pandemie zweifellos vorliegt.

Gerade bei vertraglichen Zusicherungen wie im Gastgewerbe stossen auch die Ausführungen des Urteils zur Betriebsbezogenheit ins Leere. Wegen des vertraglichen Verwendungszwecks ist die Mietsache grundsätzlich als Restaurant oder Bar zu betreiben. Dies bedingt nach Treu und Glauben, dass die Räumlichkeiten der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Soweit dies wegen Zwangsschliessungen oder einschränkenden Massnahmen verunmöglicht bzw. erschwert wird, sind nach überwiegender Lehre die durch den Verwendungszweck vertraglich geschützten Interessen des Mieters beeinträchtigt. Damit liegt ein Mangel im mietrechtlichen Sinn vor. Daran ändert auch die rein hypothetische Möglichkeit nichts, dass in einem geschlossenen Lokal (theoretisch) noch gekocht und (für niemanden) serviert werden könnte.

Schliesslich versagt der Einzelrichter im konkreten Fall eine Herabsetzung des Mietzinses, da der Betrieb bereits vor der aktuellen Pandemie tendenziell auf den Onlinehandel ausgerichtet gewesen sei. Bei Restaurants und Bars gestaltet sich die Ausgangslage diametral anders. Zumeist sind solche Betriebe ausschliesslich auf die Verköstigung vor Ort ausgerichtet.

Die behördlichen Massnahmen wurden sodann jeweils kurzfristig angeordnet und verlängert. Unter diesen Umständen ein langjähriges Konzept mit immensen Mehrkosten neu auf Take-away auszurichten, konnte in den wenigsten Fällen wirtschaftlich sein. Aufgrund der Zwangsschliessung fiel deshalb regelmässig das einzige Betätigungsfeld weg, besonders wenn die Nutzung des Mietobjekts vertraglich auf den Be trieb als Restaurant oder Bar eingeschränkt worden war.

2. Anspruch auf richterliche Vertragsanpassung («clausula rebus sic stantibus»)

Ein Herabsetzungsanspruch lässt sich ausserdem mit der sogenannten «clausula rebus sic stantibus» begründen: Haben sich die Verhältnisse im Vergleich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erheblich geändert und war diese Entwicklung damals nicht voraussehbar, kann das Gericht den Vertrag anpassen, sofern die Erfüllung des ursprünglichen Vertrags für eine Partei unzumutbar erscheint.

Dem Urteil zufolge sind diese Voraussetzungen im Kontext Covid-19 grundsätzlich erfüllt. Die veränderten Verhältnisse müssen allerdings das vertragliche Austauschverhältnis (Mietzins gegen zweckgemässe Nutzung des Mietobjekts) gravierend stören. Entscheidend sind sämtliche Um stände des Einzelfalls. Im Besonderen interessieren die konkreten Auswirkungen der Massnahmen auf den Geschäftsgang in finanzieller Hinsicht. Im Einzelfall kann sich deshalb empfehlen, dem Vermieter Einsicht in die anonymisierten Umsatzzahlen und weitere Unterlagen zu gewähren, um die beträchtlichen Umsatzrückgänge zu dokumentieren.

Betreffend Kurzarbeit ist die Höhe der weiterhin geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge aufzuzeigen. Informationen über reine Überbrückungskredite können hingegen mit der Begründung verweigert werden, dass diese Beiträge (regelmässig verzinst) zurückzuzahlen sind.

Ferner sollte der Mieter seine Vergleichsbemühungen genau dokumentieren, indem er beispielsweise abgelehnte Gesuche um Herabsetzung des Mietzinses vor Gericht einreicht.

3. Wegweisende Urteile betreffend Betreibungen und Zahlungsverzugskündigungen

a) Mietvertrag als nicht tauglicher Rechtsöffnungstitel in Betreibungsverfahren (Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 23. April 2021)

In einem überzeugenden Entscheid untersagt das Bezirksgericht Zürich dem Vermieter den Fortgang der Betreibung. Der Mieter hatte während der behördlichen Zwangsschliessung die Mietzinszahlungen eigenmächtig herabgesetzt.

Angesichts der vorstehend aufgezeigten Anspruchsgrundlagen erscheine ohne Weiteres vorstellbar, dass ein Gericht infolge der behördlichen Massnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 dem Mieter eine Herabsetzung des Mietzinses gewähren dürfte.

b) Abgelehnte Zahlungsverzugskündigung (Urteil des Kantonsgerichts Genf vom 7. Juni 2021)

Versäumt der Mieter, den Mietzins innert Frist zu bezahlen, und leistet er diesen auch nicht innert einer Nachfrist von 30 Tagen, riskiert er mit Blick auf Art. 257d OR eine Zahlungsverzugskündigung. Gestaltet sich die Rechtslage in diesem Zusammenhang eindeutig, kann er zudem beschleunigt aus dem Mietobjekt ausgewiesen werden (vgl. Art. 257 ZPO).

In zweiter Instanz hat das Kantonsgericht Genf entschieden, dass im Zusammenhang mit Betriebsschliessungen kein solch klares Recht besteht. Ein Erlass der Miete sei insbesondere mittels vor stehend aufgezeigten Anspruchsgrundlagen denkbar.

c) Rechtsfolgen

Wer den Mietzins während den behördlichen Massnahmen nur teilweise bezahlt hat, kann sich vor diesem Hintergrund grundsätzlich erfolgreich gegen eine beschleunigte Ausweisung sowie Betreibungen wehren. Der Vermieter hat ausstehende Mietzinse somit auf dem ordentlichen Prozessweg einzuklagen. Dieser Gang ist kosten- und zeitintensiv, wobei der Vermieter die Verfahrenskosten vorzuschiessen hat. Gestützt auf vorstehende Ausführungen hat der Mieter dabei gute Argumente zur Abwehr solcher Forderungen.

4. Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Begründung des Zürcher Entscheids vom 2. August 2021 nicht auf die Situation von Restaurants und Bars übertragen werden kann. Sind vertraglich zugesicherte Verwendungszwecke durch behördliche Massnahmen vereitelt, ist der Mieter im vertragsgemässen Gebrauch nach Art. 259a Abs. 1 OR gestört, womit ihm grundsätzlich ein Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses zusteht.

Über diese Mangelrechte hinaus rechtfertigt sich eine Herabsetzung des Mietzinses zudem über die richterliche Vertragsanpassung («clausula rebus sic stantibus»). In dieser Hinsicht sind die finanziellen Auswirkungen durch die behördlichen Einschränkungen darzulegen, um eine Herabsetzung erfolgsversprechend erwirken zu können.

Quelle: Rechtsdienst GastroSuisse


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