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20.08.2010

Zwetschgen-Leckereien retten Baselbieter Hochstämmer

Clevere Vermarktung von regionalen Produkten

Das Baselbiet ist das Land der Hochstammbäume. Doch deren Bestand ist bedroht. Dora Meiers Projekt "Posamenter" will Gegensteuer geben – mit Läckerli, Dörrzwetschgen oder Konzentrat aus den Hochstämmerzwetschgen.

lid. Dieser Tage ist es soweit: Für Erich und Caroline Schweizer beginnt die Zwetschgen-Ernte. Tagsüber binden sie den Chratten um, stellen Leitern an und pflücken die blau-violetten Früchte ihrer 45 Bäume – und verarbeiten den grössten Teil der Ernte auf ihrem Hof gleich selbst. Zu Dörrzwetschgen. Für Caroline und ihre Kolleginnen heisst das dann abends Zwetschgen entsteinen, halbieren und diese auf einem Gitter während 48 Stunden im Ofen dörren lassen.

Letztes Jahr belief sich die Produktion auf 130kg getrockneter Zwetschgen, hergestellt aus rund 700kg frischen Früchten, an sieben Tagen während fünf Wochen. Knochenarbeit sei das schon, meint Schweizer, zumal die süss-säuerlichen Früchte von Hand entsteint werden müssten, weil beim Einsatz einer Maschine gelegentlich Splitter zurückblieben.

Doch der Aufwand zahlt sich finanziell aus. Dies ist umso bemerkenswerter, als es sich bei den verwendeten Früchten um Haus- und Bühlerzwetschgen handelt, also um alte Sorten von Hochstammbäumen, die heute kaum noch Absatz finden. Solche Bäume werden andernorts gefällt. Nicht so auf dem Hof der Schweizers: 2008 haben sie zehn neue hochstämmige Zwetschgenbäume gepflanzt.

Seidenband in Heimarbeit

Ihre Zuversicht hat einen Namen: Posamenter. Hinter diesem 2004 lancierten Projekt steht Dora Meier aus Wenslingen BL. Schon lange störte sie sich am Niedergang der Hochstammbäume im Tafeljura. "Dabei gehören diese zu den charakteristischen und landschaftsprägenden Elementen des Baselbiets."

Die Hochstammbäume seien Erbe der Posamenterbauern, also jener Landwirte, die im Baselbiet in Heimarbeit Seidenbändel auf Webstühlen herstellten. Diese Luxusgüter wurden in alle Welt exportiert und als modisches Accessoire verwendet. Die Hochblüte erlebte die Seidenbandweberei im 19. Jahrhundert. Danach ging sie ihrem Niedergang entgegen: Zu Beginn des 20. Jahrhundert gerieten die Seidenbändel immer mehr ausser Mode. 1988 stellte auch die letzte Posamenterin den Betrieb ein.

Eigene Produkte herstellen

Dass nun auch die Hochstammbäume ausser Mode zu geraten drohen, wollte Meier nicht einfach hinnehmen. Als dann 2005 der Absatzmarkt für Konservenzwetschgen infolge Rückzugs eines grossen Konfitürenherstellers zusammenbrach, ergriff sie die Initiative. Für sie war klar, dass die Rettung der Hochstammbäume nur gelingt, wenn sich die Wirtschaftlichkeit der Bäume verbessern lässt.

"Für den Bauern muss es sich lohnen, auf die Leitern zu steigen und die Früchte zu ernten." Eine höhere Marge und ein neuer Absatzmarkt für Hochstammfrüchte mussten her. Doch wie? Im Einkaufsladen sah Meier einen Süssmost, produziert aus Ostschweizer Hochstammäpfeln; aus dem Baselbiet gab es nichts Vergleichbares. Meier ergriff die Initiative und zwar für die Hochstammzwetschge, da diese im Baselbiet bislang keine Förderung erfuhr, im Gegensatz zum Aushängeschild Kirsche.

Sie erinnerte sich eines alten Familienrezeptes, stellte sich an den Herd, kochte wie bei der Konfitürenherstellung Zwetschgen ein, mischte Essig und Gewürze bei und fertig war ihr "Prune d'Or". Dieses "süss-saure Zwetschgenkonzentrat", wie Meier es beschreibt, eignet sich zum Verfeinern einer Bratensauce, ist vorzüglich zu Gschwellti und lässt sich auch als aromatische Füllung von Crépes verwenden. Mit einigen Gläsern im Gepäck mietete sie einen Stand auf dem Oltinger Markt, um das Potenzial ihres "Prune d'Or" zu testen. Der Erfolg war gross. Sie schuf die Marke "Posamenter" und liess diese urheberrechtlich schützen.

Immer grössere Produktion

Doch Meier liess nicht locker, ein Produkt aus Baselbieter Hochstammzwetschgen war ihr zu wenig. Sie ging zum Bäcker mit der Aufforderung, ein Mürbeteigtörtchen aus den blau-violetten Früchten zu kreieren. Denn Meier war aufgefallen, dass es kaum Süssgebäck mit Zwetschgen gab, ausser Wähen und einer Pastete aus dem Glarnerland. Die Reaktionen auf dem Markt waren wiederum durchwegs positiv, was sie darin bestärkte weiter zu machen.

Mittlerweile umfasst das Posamenter-Sortiment sieben Produkte: Dörrzwetschgen, Zwetschgentörtli, Prune d'Or, Läckerli, Pralinen, Zwetschgenstängel und -schnecken. Mit der Ausdehnung der Produktepalette nahm auch die Menge verarbeiteter Zwetschgen zu: Waren es zu Beginn rund 500kg, konnten 2009 bereits mehr als 12 Tonnen verarbeitet werden.

Inzwischen produziert Meier die Produkte auch nicht mehr selbst. Dies übernehmen zwei Bäckereien sowie ein Wohn- und Werkheim aus der Region. Geliefert werden die Früchte von 15 Bauernfamilien, die aber gleichzeitig auch in die Produktion eingebunden sind. Diese stellen Dörrzwetschgen her – in Heimarbeit wie einst die Posamenter, die zu Hause Seidenbändel woben. Statt die Zwetschgen mit wenig Marge als Rohstoff für die Schnapsproduktion zu verkaufen, findet die Wertschöpfung nun auf dem Bauernhof statt, was ein höheres Einkommen generiert.

Mehr Absatz dank Coop

Zu kaufen gab es die Posamenter-Produkte zunächst in Läden der Region Basel, vom lokalen Milchhüsli über die Bäckereien bis hin zu Reform- und Hofläden. Doch dann nahm Coop 2008 im Rahmen ihrer Slow-Food-Linie Meiers Zwetschgentörtchen, die Dörrzwetschgen und das Prune d'Or ins Sortiment auf. Seither gibt es die Posamenter-Produkte schweizweit in grösseren Filialen des Detaillisten zu kaufen.

2009 wurden die Posamenterprodukte für den AgroPreis des Schweizer Bauernverbandes nominiert und im gleichen Jahr wurden sie mit dem Premio-Preis von Slow-Food ausgezeichnet.

Neue Produkte geplant

Doch die umtriebige 63-Jährige will sich nicht auf dem bisher Erreichten ausruhen. Meier hegt bereits Pläne für die Zukunft. So will sie weitere Produkte entwickeln, damit sie noch mehr dieser süss-säuerlichen Früchte verwerten und letztlich noch mehr Hochstammbäume schützen kann. Doch woher rührt ihr Engagement für die Sache der Hochstammbäume? "Ich bin zutiefst vom Potenzial dieser Früchte überzeugt. Sie sind im Geschmack aromatischer und intensiver als die neuen Sorten aus Niederstammproduktion. Und sie gehören halt einfach zum Landschaftsbild des Baselbiets."

Baselland: Hochstämmer unter Druck

Das Baselbiet ist national eines der wichtigsten Kirschen- und Zwetschgenanbaugebiete. Und eine Hochburg der Hochstammbäume: 140'000 bis 150'000 dieser Bäume prägen das Landschaftsbild auf charakteristische Weise.

80 Prozent der Baselbieter Bauernbetriebe haben auf ihrem Grund Hochstämmer stehen, durchschnittlich 148 pro Betrieb. Das ist schweizweit die höchste Dichte. Doch dieser Bestand ist wie überall landauf, landab rückläufig. Jährlich verschwinden 2000 bis 3000 Bäume im Baselbiet.

Grund für diese Entwicklung ist deren schlechte Wirtschaftlichkeit: Als Tafelfrucht spielt die Zwetschge aus Hochstammproduktion kaum noch eine Rolle; Kirschen finden in der Kategorie Klasse-1 noch Eingang in die Läden, allerdings mit klar sinkender Tendenz.

Der Trend geht hin zu grossfruchtigem Obst, produziert auf niederstämmigen Bäumen. Damit bleibt praktisch nur noch die Verarbeitung zu Konfitüre oder Schnaps. Einerseits hat der Abbau des Grenzschutzes in den letzten Jahren zu einem Rückgang der Nachfrage nach Industrie- und Brennfrüchten geführt, weil Verarbeiter zollfrei billige Früchte aus dem Ausland importieren können.

Andererseits sind die erzielten Margen bei diesem Absatzkanal für die Produzenten weniger lukrativ als beim Tafelobst. Folge: Angesichts geringer Ertragsaussichten und einer umständlichen und zeitraubenden Ernte werden Hochstammbäume oft nicht mehr gepflegt und letztlich gefällt.

Autor: Michael Wahl / lid


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