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04.11.2019

Gastgewerblicher Nebel am Jungfraujoch

Wird Coop exklusiver Gastro-Partner der Jungfraubahnen?

Ende Oktober 2019 ist am Jungfraujoch eine Epoche zu Ende gegangen – und praktisch niemand hat es wahrgenommen: Über Jahrzehnte waren in den gastgewerblichen Betrieben am Eigergletscher und auf dem Jungfraujoch Pächter zugange gewesen. Das ist vorderhand Geschichte.

Urs Zumbrunn, der bis 2007 am Werk gewesen war, hatte der gastgewerblichen Branche weitum gezeigt, dass auch wetterabhängige Saisonbetriebe bestens funktionieren können: Wenn wenige Gäste da waren, zog Zumbrunn seine untätigen Mitarbeitenden zusammen, stellte Fleischprodukte, Backwaren oder Schokolade her und verkaufte die Produkte in der Folge nicht nur in den eigenen Betrieben, sondern auch auswärts.

Daran knüpften Brigitte und Martin Soche, die auf Zumbrunn folgten, nahtlos an und schafften es auch leidlich, die explodierenden Gästespitzen am Joch zu bedienen – vermeintlich gut 5000 Personen täglich, tatsächlich jedoch um die 7000.

Pächter weg, Systemgastronomen her

Am 31. Oktober 2019 nun wurde abgeräumt, eine neue Epoche ohne Pächter beginnt. Der Entscheid, die gastgewerblichen Betriebe zu integrieren, ist schon älter und unternehmerisch nachvollziehbar. Aber die Umstellung und der gemeinsame Betrieb sind heikel, denn die Interessen von Bergbahnen und Bergrestaurants kollidieren immer wieder und unvermeidlich.

Unter anderem haben die Titlisbahnen, zu denen mit dem Terrace in Engelberg auch ein Hotel gehört, den Zusammenschluss von Bahn- und Gastbetrieben durchgespielt – es hat viele Jahre gedauert, kostet Nerven und ist nicht vorbei.

Und während am Titlis mit Hans Bühlmann der einheimische Pionier der gastgewerblichen Integration ächzend ging, trat an der Jungfrau ein neuer Mann an, der nicht nur Vorschusslorbeeren mitbrachte: Mitte 2017 wurde Reto Mettler erster Leiter Gastronomie bei den Jungfraubahnen. Mettler kam von der Compass Group, einem Giganten der Massenverpflegung mit über einer halben Million Beschäftigten in mehr als 50 Ländern.

Die Umstellung der Jungfraubahnen lädierte nicht nur das Pachtverhältnis mit Soches, sondern auch dasjenige auf der Kleinen Scheidegg: Bereits Ende Oktober 2017 gab hier André Schärer seine Pacht nach vollen 17 Jahren ab. Während die Verantwortlichen und die Massenmedien zu dieser Entwicklung schwiegen oder gutes Wetter machten, knallte es hinter den Kulissen bis vor Gericht. Weil jedoch gleichzeitig ein lauter Streit einerseits um die V-Bahn, andererseits ums Hotel Bellevue des Alpes toste, ging der kleinere gastgewerbliche Lärm etwas unter.

Bergbahnen und Bergbeizen bedeutet Probleme

Dabei stehen die Jungfraubahnen und Mettler nicht nur vor der Herausforderung, eine komplett neue gastgewerbliche Kultur einzuführen sowie unlösbare Konflikte zwischen Bahnbetrieb und Gastronomie zu bewältigen. Überdies kommt mit der V-Bahn und dem neuen Bahnhof in Grindelwald Grund eine nagelneue Infrastruktur, die auch gastgewerblich entscheidende Bedeutung hat: Im Dezember 2020 soll hier eine zentrale Produktionsküche in Betrieb gehen, ausgelegt auf jährlich rund 400’000 Mahlzeiten für die zehn verschieden Restaurants am Eigergletscher, auf dem Joch und auf der Kleinen Scheidegg.

Gastgewerbliche Planung und Realisierung im Grund waren ein Hüst und Hott und ein Murks, was nicht verwundern kann: Zum einen stehen nicht Gastroprofis, sondern Bähnler und Marketeers in der entscheidenden Verantwortung, zum anderen ist das zu beackernde Feld komplett neu, und nicht zuletzt steht genug Geld und Macht zur Verfügung, um Fehler zu riskieren und durchzusetzen.

Ob das Meccano funktioniert, wird sich weisen, desgleichen die Zukunft der noch bestehenden Pachtbetriebe bei den Jungfraubahnen: Winteregg, Harder, Schynige Platte und First. Klar ist vorderhand, dass die Umstellung harzt, aber entsprechende Kollateralschäden können vom glänzenden Betriebserfolg der Jungfraubahnen leichthin geschluckt und in den Schatten gestellt werden.

Coop besetzt die Plätze

Freilich zeichnen sich auch Schäden ab, die das Image der Jungfraubahnen vorab hierzuberge längerfristig und nachhaltig beeinträchtigen könnten. Ähnlich wie beim Shopping, wo die forschen Jungfraubahnen ausgerechnet mit Kirchhofer über Kreuz geraten dürften, droht auch bei der Gastronomie ein tiefergehendes Zerwürfnis. Es sieht nämlich ganz danach aus, als werde Coop zum sozusagen exklusiven gastgewerblichen Partner der Jungfraubahnen.

Das hat eine gewisse Plausibilität, sichern sich die Jungfraubahnen doch damit einen Partner, der in der ganzen Schweiz enorm präsent ist und die Bahnen jederzeit an die Kundschaft bringen kann. Aber gleichzeitig liefern sich die Jungfraubahnen auch aus, und nicht zuletzt zerstören sie bewährte und wertvolle regionale Wertschöpfungsketten, die von den Pächtern gepflegt wurden und zum guten Ruf der Gastronomiebetriebe an der Jungfrau beigetragen haben.

Coop kontrolliert mit der Firma Transgourmet einen gastgewerblichen Lieferanten, der den Markt nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa prägt. Und Transgourmet hat namentlich im Vergleich zum regionalen Gastrolieferanten H&R Gastro keinerlei Bezug zum Berner Oberland.

Natürlich ist es den Jungfraubahnen unbenommen, aus Kosten oder welchen Gründen auch immer auf lokale Produkte zu verzichten und analog zu Partnerverbindungen etwa bei grossen Festivals, Volksfesten oder Sportanlässen alle ausser den zahlenden Partnern draussen vor der Tür auszusperren.

Regionale Wertschöpfungsketten zerbrechen

Aber solchenfalls sollte einerseits nicht die Leier vom Wert regionaler Produkte und Wertschöpfungketten gespielt werden. Andererseits und insofern haben die Verantwortlichen zu gewärtigen, dass sie ohne Not traditionsreiche volkswirtschaftliche Zweige der Region kappen, die touristische Monokultur intensivieren und sich zu schlechter Letzt zuhause unglaubwürdig und unbeliebt machen.

Während die gastgewerbliche Integration ins Bahnunternehmen ein Risiko ist und bleibt, steht indes hinsichtlich gastgewerblicher Wertschöpfungsketten der Königsweg eigentlich offen: Die Jungfraubahnen können gastgewerblich die regionale Wertschöpfungskette pflegen. Und wie der neue Flagship Store im Metropole in Interlaken nahelegt, hätten es die Jungfraubahnen dank ihrer Grösse, Strahlkraft und Kompetenz auch in der Hand, statt Coop oder Lindt und Sprüngli die einzigartigen regionalen Produkte vom Käse bis zum Kaffee so zu positionieren, dass der Preis aus den Köpfen der Kundschaft verschwindet und die wahren Werte bleiben – ohnehin sind diese Werte auch am Joch der eigentliche Kern.

Dann wäre bei uns wirklich alles anders als bei den anderen.

Peter Grunder / austeilen.ch / ergopublic.com

Restaurant Eigergletscher. Bild: Peter Grunder


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