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11.11.2006

Arbeitsbedingungen von Cabaret-Tänzerinnen

Diskrepanz zwischen rechtlichen Vorgaben und Alltag…

Das Schweizerische Forum für Migrationsstudien (SFM) der Universität Neuenburg führte im Auftrag des Fraueninformationszentrums (FIZ) eine Studie über die Lebensbedingungen von Cabaret-Tänzerinnen in der Schweiz durch.

Die Forscherinnen Janine Dahinden und Fabienne Stants zeichnen ein recht ausgewogenes und realistisches Bild, obwohl 37% der befragten Tänzerinnen von Beratungsorganisationen vermittelt wurden. Es ist den Autorinnen anzurechnen, dass sie sich vor Verallgemeinerungen hüten und ein Gespür für Grauzonen entwickeln.

Einzig beim Kapitel "Lohnaspekte" verfällt man in die alte Untugend, vorwiegend von Nettolöhnen zu reden. Zwar wird an einer Stelle erwähnt, dass Miete, Agenturprovision, Quellensteuer, Krankenkasse und Sozialabgaben abgezogen wurden, dennoch erhält der flüchtige Betrachter den Eindruck, dass 86% der Tänzerinnen weniger als 3000 Franken pro Monat verdienen. Dabei beläuft sich der von den Forscherinnen erhobene durchschnittliche Bruttolohn auf 4250 Franken.

Die Lebensumstände der Cabaret-Tänzerinnen werden als prekär bezeichnet, dennoch werden die Artistinnen nicht blauäugig in eine Opferrolle gedrängt. Die Autorinnen zeigen eine ganze Palette unterschiedlicher Biographien und schliessen daraus, dass es "die Arbeitsbedingung" nicht gibt. Die Tänzerinnen werden als ökonomische Unternehmerinnen beschrieben, die ihr Handeln aktiv gestalten.

Ein Teil der Tänzerinnen befinde sich in einer Zwangslage. Schutz und soziale Sicherheit seien in hohem Masse individualisiert, wobei es die erstmalig einreisenden Artistinnen besonders schwer hätten, schreiben die Autorinnen. Hingegen habe ein anderer Teil das Glück, insbesondere wirtschaftlich zu profitieren.

Die Instabilität der Arbeitsverhältnisse führt laut Studie zu sozialer und ökonomischer Verwundbarkeit der Tänzerinnen. Der geringe Grad an Arbeitsplatzsicherheit sei bereits in den rechtlichen Vorgaben angelegt, im Besonderen beim Zwang zum monatlichen Wechsel. Hinzu komme, dass bei einem Arbeitsplatzverlust kein Branchen- oder Tätigkeitswechsel möglich sei. Die Kurzfristigkeit der Arbeitsverhältnisse erschwere die Entwicklung von Vertrauen, Loyalität und gegenseitiger Verpflichtung.

Dahinden und Stants beschreiben, wie Tänzerinnen konkrete Strategien entwickeln, um ihre Arbeitssituation besser zu kontrollieren, z.B. durch Allianzen mit Kunden, Cabaret-Besitzern oder anderen Mitarbeitenden. Als wichtiges Kriterium bezeichnet die Studie den Informationsstand der Tänzerinnen. Es gebe sehr wohl Artistinnen, die ihre Rechte und Pflichten gut kennen. Ein anderer Teil der Frauen biete aus Unkenntnis Leistungen an, von denen sie glauben, sie gehörten zu den vertraglich vereinbarten Aufgaben. Es sei vor allem der hohe Alkoholkonsum, den Ersteinreisende nicht erwarten.

Ausservertragliche Leistungen gehen allerdings oft auf Eigeninitiativen zurück, weil die Tänzerinnen ihr Einkommen erhöhen wollen. Die Autorinnen befürchten einen Kontrollverlust, wenn "sexuell-ökonomische Aktivitäten" in den Freizeitbereich gedrängt werden, etwa weil Separées verboten sind. Genau dann seien die Frauen der Willkür der Freier ausgesetzt.

Cabarets sind wie kaum ein anderer Bereich strikten Regulationen unterworfen. Die Diskrepanz zwischen den rechtlichen Vorgaben und der Alltagsrealität sei aber enorm, schreiben Dahinden und Stants. Als Beispiele fügen sie unter anderem die Animation zu Alkoholkonsum und längere Arbeitszeiten an. Auf der anderen Seite sei auch hier oft Eigeninitiative der Tänzerinnen im Spiel. Die Autorinnen räumen ein, dass ein Teil der eingeführten Schutzbestimmungen von den Tänzerinnen selbst abgelehnt werden, weil sie ihrem Ziel, einen möglichst hohen Verdienst zu erzielen, zuwider laufen. Für die meisten befragten Frauen ist uneinsichtig, weshalb sie nur noch 23 statt den früheren 26 Tagen pro Monat arbeiten dürfen.

Die Studie anerkennt, dass es sich bei den Tänzerinnen nicht um typische Niedriglohn-Jobs handelt, bemängelt aber die Unregelmässigkeiten bei Lohnzahlungen. Einige Frauen hätten gute Löhne und könnten Geld an ihre Familien schicken, andere wiederum seien in einer Schuldenspirale gefangen. Als Hauptgrund für die Verletzlichkeit nennen die Forscherinnen Unregelmässigkeiten bei der Vermittlung, vor allem in den Herkunftsländern. Hier könnten sich sogar Berührungspunkte zu Frauenhandel ergeben.

Allerdings geben 70% der Tänzerinnen an, sie seien vor der ersten Einreise von Freundinnen auf die Tanzmöglichkeiten aufmerksam gemacht worden, die bereits in Schweizer Cabarets gearbeitet haben. Nur 13% wurden direkt durch eine Agentur informiert. Man kann also davon ausgehen, dass die meisten Neueinreisenden über die Arbeitsbedingungen recht gut Bescheid wissen.

Der Schluss liegt nahe, dass sich die negativen Umstände auch durch die hohe Regelungsdichte, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten entwickelte, nicht aus der Welt schaffen lassen. Eine Verbesserung sei nur durch eine Stärkung der Tänzerinnen möglich. Konkret wird angeregt, die achtmonatige Aufenthaltsbewilligung nicht an eine dauernde Erwerbstätigkeit zu koppeln. Dann müssten die Tänzerinnen nicht mehr alles daran setzen, ein nächstes Engagement zu erhalten, weil sie ansonsten Gefahr laufen, nach einem Monat ausreisen zu müssen.

Cabaret-Tänzerinnen, die über Ressourcen verfügen, könnten sich wehren. Flankierende Massnahmen seien deshalb nahe liegender als eine nochmalige Erhöhung der Regelungsdichte. Der Vollzug der bestehenden Gesetze sei zu fördern. Eine vollumfängliche Kontrolle, das schreiben auch die Autorinnen, sei aber nicht möglich. Dass restriktive Lösungen ihre Tücken haben, räumt auch das FIZ ein, denn bei grosser Nachfrage würden am Ende Frauen geholt, die gar keine Bewilligungen haben. In der Illegalität sei der Schutz der Frauen aber wesentlich schlechter. Die Frauenorganisationen sprechen sich gegen eine Abschaffung der Kurzaufenthaltsbewilligungen für Tänzerinnen aus.


Hauptproblem Alkohol

Viele Cabaret-Tänzerinnen sehen das grösste Problem ihrer Arbeit beim hohen Alkoholkonsum. In anderen Ländern leben die Betriebe nicht vom Champagner, den die Kunden auffahren lassen, sondern von Eintrittsgeldern oder Stundentarifen für die Gesellschafterinnen. Ein Cabaret-Betreiber wird wie folgt zitiert: "Wenn der Staat nicht so heuchlerisch wäre, müssten wir keinen Champagner ausschenken, sondern könnten das System der Taxi-Girls übernehmen, wie es zum Beispiel in Italien existiert... Die Leute würden nicht trinken, und wir wären nicht verpflichtet, die Flaschen zu überrissenen Preisen zu verkaufen, um die Kosten zu decken, die uns auferlegt werden." Ein Agenturvertreter drückt die wirtschaftliche Logik so aus: "Wie die Dinge liegen, ist die Haupteinnahmequelle der Cabarets der Verkauf von Champagner." Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass heute fast alle Nachtclubs speziell für Artistinnen auch alkoholfreie Schaumweine anbieten.


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