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23.07.2014

Jährlich grüsst das Murmeltier

Gastwirt Robert Manz zu Presseartikeln über das bayerische Rauchverbot

Mich stört "ein wenig" die jährliche Darstellung in der Presse, welche die tatsächliche Situation zu den Rauchverboten im Gastronomiebereich etwas verzerrt wiedergibt. Die meisten Artikel, die ich dazu lese, haben eine frappierend ähnliche Struktur: Die radikalen Rauchverbote haben sich bewährt, werden gut angenommen, positive Erfahrungen werden herausgestellt und hier und da kleinere Probleme marginalisiert erwähnt. Könnte es sein, dass es dieser Berichte bedarf, um zu beruhigen oder "Wirklichkeit" in den Köpfen der Leser zu erschaffen?

Das Dilemma eines Gastwirtes jedenfalls, der zu diesem Thema befragt wird und tatsächlich Besucherrückgänge und Umsatzverluste zu verzeichnen hat, besteht darin, ob er dies öffentlich machen darf. Mit der Folge, sein Gastronomieobjekt als "out" zu brandmarken oder ob er nicht genötigt ist, "gute Miene zum bösen Spiel zu machen", um seinem Geschäft keine zusätzlichen Imagerisiken hinzuzufügen. Beispielsweise auch Nachbarschafts- und Verschmutzungsprobleme niederschwellig zu halten. Falls er zum Zeitpunkt der Befragung überhaupt noch am Markt tätig ist.

Sicher wird es auch Gastronomiebetriebe geben, die auf Grund ihrer örtlichen und räumlichen Rahmenbedingungen, wie auch ihrer Besucherklientel sowie dem jeweiligen Zweck des Gaststättenbesuches keine Umsatzverluste oder sogar Umsatzsteigerungen zu verzeichnen haben. (Manche Speiselokalbetreiber sind zeitweise froh, wenn ihre Tische für nachfolgende Gäste schnell wieder frei werden.)

Durch das Verbot von Rauchernebenräumen und Raucherkneipen – und nur von diesen davon betroffenen Gaststätten ist hier zu reden – werden aber genau diejenigen Betreiber bestraft, welche (auch) auf Bürger ausgerichtet sind, deren Lebensphilosophie nicht darin besteht, möglichst viele gesunde Lebensjahre anzuhäufen. Vielfach zu ihrer persönlichen Entspannung und ihrem Wohlbefinden rauchen und - was den nächsten zu verpönenden Bereich dieser schleichenden "Gesundheitsdiktatur" betrifft – Alkohol trinken möchten.

[Der Landesgesetzgeber ist übrigens nicht für Gesundheitspolitik und -prävention zuständig. Auch nicht für Arbeitnehmer, die sich im Übrigen gezielt an einem raucherfreundlichen Arbeitsplatz bewerben. Für diese Aufgaben ist alleine der Bund zuständig. = Verfassungsrecht.]

Was aus Gästesicht für den einen "Spaß" ist, entlockt dem anderen nur ein dröges Gähnen. Dem einen genügt eine wundervolle Unterhaltung in gediegener Umgebung, um abzuschalten. Der andere möchte sich gehen lassen, um dem Alltagsstress zu entfliehen. Und dabei "seine" Produkte konsumieren, die gemeinhin nicht als gesundheitsförderlich propagiert werden.

Jeder Wirt bietet zielgruppenorientierte Waren und sonstige Rahmenbedingungen (räumliches und musikalisches Ambiente). So will es ein Kneipenwirt seinen spezifischen Gästen so angenehm wie möglich machen, um zum unterhaltsamen Verhocken einzuladen.

Das Rauchverbot steht diesem Bestreben bei vielen getränkeorientierten Betrieben diametral entgegen, denn gerade bei Thekenkneipen/Gewohnheitslokalen, bei denen der nicht selten stundenlange Besuch ("zweites Wohnzimmer") mit dem Ziel des kommunikativen Abschaltens vom Alltagsstress im Vordergrund steht, erweist sich die Gängelung der Raucher als erhebliches Handicap für einen erfolgreichen Geschäftsbetrieb.

Der Volksgesetzgeber hat in unverhältnismäßiger Weise alles über einen Kamm geschert und ein Schutzbedürfnis vor Passivrauch ganz radikal auch dort normiert, wo jeder selbst entscheiden kann, ob er ein Rauchernebenzimmer oder eine Raucherkneipe betreten will.

Interessanterweise ändert dann der Steuergesetzgeber seine Argumentation um 180 Grad, wenn er bei der Gastronomie den erhöhten 19-prozentigen Mehrwertsteuersatz anstelle der sonst üblichen 7% für Speisen und alkoholfreie Getränke verlangt. Das Steuerrecht sieht im Gaststättenbesuch und dortigem Konsum kein Grundbedürfnis, sondern "Luxus".

Dieser Argumentation folgend, wären wie bei jedem anderen "ungesunden" Konsumprodukt die Verbote von Rauchernebenräumen und -kneipen nicht verfassungsgemäß. Der Besuch ist freiwillig und die zugrundeliegende Handlung des Rauchens legal. Im Übrigen hätte es mit diesem Steuerhebel eine elegante Möglichkeit gegeben, rauchfreie Gastronomie zu fördern.

Die kneipenspezifischen Auswirkungen mögen bei unserer Kellerbar noch verstärkt sein, da große Laufwege [und Höhenunterschiede ;-)] zu bewältigen sind. Das Alter des Zielpublikums spielt zudem eine erhebliche Rolle. Die Altersgruppe der 20-40jährigen stellt nach wie vor prozentual die meisten Raucher – und die bei weitem dominierende Kundschaft.

Auch die Gesellschaftszugehörigkeit hat eindeutig Einfluss auf Raucherquote und individuellen Kneipenbesuch. Die Gesundheitsgesetze hingegen, werden von einer elitär-paternalistischen Gesellschaftsschicht verordnet - entsprechend ihrer Vorstellung von einem "richtigen Leben". Mit fast schon religiös-missionarischem Charakter.

Die konkreten Folgen in der Kneipenszene sind insbesondere jenseits des Wochenendes signifikant und haben einen gewissen "Schneeballeffekt" zur Folge: Zunächst fällt "das Feierabendbier" kürzer aus, weil durch das ständige Raus und Rein der Feierabend auch nicht gemütlicher wird. Öfters bleibt man gleich zu Hause und verzichtet auf kommunikatives Miteinander. Durch die geringere Verweildauer und die selteneren Besuche kumuliert sich dieses initiale Verhalten Einzelner zu einem Kneipenzustand, bei dem man bald einen weiteren Grund für das Fernbleiben findet: Ist ja nix los.

Am Wochenende werden "Events" erwartet. Wohl schon seit Erfindung der "Glotze" ein verstärkter Trend zur passiv konsumierenden Fremdstimulation. Natürlich gibt es noch die Cliquen, die mit sich selbst etwas anfangen können, sich miteinander beschäftigen und gemeinsam Spaß haben, wenn ihnen die Hintergrundrahmenbedingungen der Lokalität passen. Es gibt aber auch am Wochenende einen (leichten) Trend zum Privaten. Und noch ein weiterer Trend: der zur Außengastronomie. Bei beiden Örtlichkeiten darf man (noch) rauchen.

Zu guter Letzt der Zeitgeist-Gewinner: Hochstandardisierte Franchise-Unternehmen (hinsichtlich der Arbeitsabläufe, des Rahmen- und Produktangebotes), deren Dachgesellschaften alleine schon auf Grund ihrer Marktmacht deutlich höheren Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können, als Kneipenwirte. In gewisser Weise eine Amerikanisierung – ich meine damit konkret verbunden: eine Anonymisierung – der Gesellschaft.

Gekennzeichnet durch eine (spätindustrielle) "Automatisierung" des Umgangs mit Menschen als neuer profitabler Geschäfts- und Gesellschaftstrend. Dies erwähne ich auch deshalb, weil dem Wahlbürger gerne Statistiken vorgehalten werden, welche suggerieren, dass sich die Umsatzzahlen im Gastronomiebereich zufriedenstellend entwickeln.

Der Volkssouverän sollte sich meiner Meinung nach nur noch "vor seinem geistigen Auge" daran gewöhnen, dass bei diesen Statistiken mit Gastronomie etwas anderes gemeint ist, als er sich noch möglicherweise vorstellt.

Alles Rahmenbedingungen, welche die Kneipenszene langsam verändern: Hier eine kleine Kneipenschließung, dort eine Verringerung der Wochenöffnungszeiten.

-.-

Ist noch Hoffnung für ein politisches Umdenken: In den Bereichen, wo der Bürger selbst entscheiden kann, ob und welchen Gesundheitsrisiken er sich aussetzen will?

Eine bußgeldbewehrte "Kennzeichnungspflicht" von Rauchernebenräumen und Raucherkneipen sollte in freien Gesellschaften genügen, um unterschiedlichsten Interessen gerecht zu werden!

Dass dies in der Gesetzgebung in dieser Einfach- und Klarheit nie umgesetzt wurde*, ließ den proklamierten "Schutz"-Zweck schon immer zweifelhaft erscheinen und vielmehr erahnen, wohin die Reise gehen soll: Die schrittweise Umerziehung der Bürger zu einer staatlich für gut befundenen Lebensweise, nämlich dem sich zur Gesunderhaltung gegenüber der Gesellschaft verpflichtenden Volksgenossen – als Bürgerpflicht.

Wobei ich noch anmerken möchte, dass ich mir nicht sicher bin, ob das wirklich so "gesund" (für eine Gesellschaft) ist.

[*Der Gesetzgeber baute stets problematische Hürden ein, wie willkürlich festgelegte Raumgrößen und Einschränkungen beim Speiseangebot, die völlig vorhersehbar zu Benachteiligungen und Vollzugsproblemen führten. Er verwendete seine selbst hinzugefügten Ungerechtigkeiten/Probleme dann als "Argument" für weitere Verschärfungen. Dabei hat diese einfache Regelung durchaus eine Chance auf Akzeptanz für ein gesellschaftliches Neben- und Miteinander. Ja, wäre erst die Grundlage dafür, festzustellen, wie die Angebotssituation tatsächlich ist, bei der im Rahmen der Subsidiarität die Gemeinden über Konzessionsauflagen gegensteuern können.]

Der jetzige Radikalzustand ist mit unserem Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren!

-.-

Ach ja, was noch zu sagen ist: Wir haben signifikante Umsatzrückgänge und was noch schwerer wiegt – man mag es mir nach all meinen Ausführungen kaum glauben: Der landesgesetzgeberische Eingriff in meine tägliche persönliche Lebensgestaltung (beruflich wie privat) ärgert!

Robert Manz, Treff Pils-Bar, Memmingen


PS

Am "Gewohnheitstier Mensch" wirkt in gewisser Weise eine Macht des Faktischen – egal ob gerecht oder ungerecht: "Das ist nun mal so entschieden."

Eine "normative Kraft des Faktischen" in anderer Richtung, also für mehr oder weniger offenen Widerstand gegen die Rauchverbote erkenne ich derzeit nicht (mehr), nur "temporäre Heimlichkeit", also keine Geschäftsgrundlage. Für einen ehemaligen Raucherwirt bleibt die Innere Emigration. Diktaturtypisch.

... oder Handlungen gemäß Art. 20 Abs. 4 GG. Theorie.

Aktiver politischer Wegbereiter dieser unverhältnismäßigen Radikalentscheidung des Volksgesetzgebers war das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 2008. Mit der teils hanebüchenen Verfassungsrechtsprechung (bis dato ohne rechtswirksamen Leitsatz) habe ich mich im Verlaufe der letzten Jahre bereits oft genug inhaltlich auseinandergesetzt.

PPS – ein letzter Hinweis ;-)

Wer gepflegt rauchfrei speisen wollte, konnte dies in ALLEN Speiselokalen auch vor dieser Gesetzesverschärfung, die in dieser Form eine "Volksverarschung" war: Beispielsweise war auf der Vorderseite des Stimmzettels nur Gesetzestext abgedruckt, der vorher schon Wirkung hatte. Massenweise hatten die Bürger keine Ahnung, welche Gesetzesverschärfung sie da konkret abnickten.

Vielen unbedarften Wählern einen wohlformulierten 99-prozentigen Gesetzesbestandstext vorzulegen, deren Unterschied dann erst auf der Rückseite in Nuancen bestand, ist nicht nur für ein faktisches Änderungsgesetz unüblich, sondern auch für eine souveräne Sachentscheidung des Bürgers eine Zumutung!

Darüber hinaus war unter der pilatusartigen CSU-Herrschaft des Herrn Seehofers – "das Volk möge entscheiden" – über die Medien eine fundamentale Informationsschieflage zur öffentlichen Meinungsbildung gegeben. Es wurde extrem dürr darüber berichtet und kaum informiert, was denn da genau zur Abstimmung stand (als Gesetzesunterschied). Millionenweise hatten die Stimmberechtigten keine Ahnung. Wussten Sie's?

Verboten wurden in diesem letzten Akt lediglich noch der Rest der Raucherrefugien im Gastrobereich: Rauchernebenräume und Raucherkneipen unter 75 qm. Könnten Sie diesen alleinig zur Abstimmung stehenden Sachverhalt herauslesen, wenn sie den Stimmzettel mit seiner Suggestiv-Fragestellung vor sich haben (Rückseite)? Oder stimmen Sie auch nur diesem "tollen" Text zu, der hauptsächlich bereits Gesetz war!

Jetzt wirkt die Kraft der durchgedrückten Wirklichkeit und der (politischen) Trägheit. Die Mehrheit fühlt sich davon eh nicht betroffen. So entstehen Diktaturen. Hier: Die Umerziehung und Gleichschaltung der Bevölkerung zu einem "Gesunden Volk". Faschistoid! (Auch wenn dies viele gerade im politisch links angesiedelten Bereich nicht wahrhaben mögen.)

Originalquelle: http://www.treff.de/jaehrlich-gruesst-das-murmeltier.html


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