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31.08.2015

Klingt nicht gut im Toggenburg

Für eine Einigung braucht es zwei, bei einer Trennung reicht einer

Ein gemeinsames Ski- und Wandergebiet betreibend, sind die Toggenburger Bergbahnen zur Zusammenarbeit verdammt – diese gestaltet sich derzeit schwierig.

Einst hangelte sich der Gast von Leistungserbringer zu Leistungserbringer. Doch heute bewegt er sich entlang von unterbruchsfreien Serviceketten. Von Anfang bis Ende geniesst er ein "einzigartiges Erlebnis". Soweit die Theorie.

Freilich sieht die Praxis in einer föderalistischen Schweiz ganz anders aus. Um dem theoretischen Ansatz zu genügen, müssten unabhängige und selbständige Leistungserbringer eng zusammenspannen. Das Ziel erreichen einige, doch meist nur unter Geächz im Gebälk.

Offene Kommunikation, eine angemessene Streitkultur und die langwierige Suche nach Kompromissen bedingen Ausdauerwillen. Verhältnisse wie in der vertikal integrierten Weissen Arena mit aufeinander abgestimmten Angeboten, geformt zu einer kompletten Wertschöpfungskette, bleiben in der Schweiz die Ausnahme.

So gestaltet sich die Zusammenarbeit der meisten Leistungserbringer zäh und harzig. Was das heisst, zeigt sich derzeit im sankt-gallischen Toggenburg. Zwei Bergbahnen als Leistungsträger streiten sich über die tarifäre Entschädigung von Neubauten. Die Basler Stararchitekten Herzog und de Meuron errichteten auf dem Chäserrugg ein neues Berggasthaus, ihre eigens designte Gondelbahn befindet sich im Bau. Die eine Bergbahn möchte nun mehr Geld aus dem gemeinsamen Gebührentopf. Vordergründig geht es beim Konflikt um Geld, hintergründig liegt die Ursache in der Struktur.

Rückblende: 2008 tobt im Toggenburg ein feindlicher Übernahmekampf. Zwei bis dahin unabhängige Bergbahnen werben in ganzseitigen Inseraten um die Gunst der jeweils anderen Aktionäre, sie sollen doch bitte die Aktien an der anderen Bergbahn der eigenen Bergbahn verkaufen. Der Gewinner hat alles eingesackt, der Rest ist Geschichte.

Geblieben ist einerseits das latente Misstrauen unter den verbliebenen Bergbahnen. Andererseits manifestiert sich dieses Misstrauen in den Statuten als Vinkulierung der eigenen Aktien; der Verwaltungsrat muss jeder einzelnen Aktien-Übertragung zustimmen.

Die verbliebenen Bergbahnen arbeiteten in den letzten Jahren leidlich zusammen und entwickelten gar einen gemeinsamen Auftritt. Dank gebündelter Angebote bemerkte der Gast wenig von den unterschiedlichen Besitzverhältnissen.

Ende gut, alles gut? Nur bis diesen Sommer. Erstmals kam kein gemeinsames Sommer-Ticket zustande, die bauende Bergbahn hat sie aus dem Programm gekippt.

Der ¬Aufschrei war gross, denn das Tal ist abhängig von Landwirtschaft und Tourismus. Die ¬Tourismus-Organisation und der Kanton sind zum Zuschauen verdammt. Während die eine an das integrierte Gästeerlebnis erinnert, mahnt der andere an die Abmachungen im Rahmen der gesprochenen Investitionshilfegelder (IH-Gelder) und jene der Neuen ¬Regionalpolitik (NRP).

Mit etwas Galgenhumor könnte dieses Geplänkel in der wirtschaftlich schwachen Zeit als Sommertheater abgetan werden – läge die Ursache nicht tiefer und wäre der Zeitpunkt nicht äusserst ungünstig.

Erstens hat das Toggenburg im ersten Halbjahr 2015 den freien Euro-Franken-Wechselkurs mit voller Härte zu spüren bekommen: minus 10.9 Prozent bei den Ankünften, minus 8.2 Prozent bei den Logiernächten.

Zweitens stehen nächsten Frühling die Wahlen ins St. Galler Kantonsparlament an. Den aktuellen Konflikt bauschen Politiker auf und gehen damit auf Stimmenfang.

Und drittens folgt in einem Jahr die Abstimmung über den Millionenkredit fürs lang ersehnte Klanghaus in Wildhaus, dessen Zustimmung letzthin kantonsweit angestiegen ist. Im Vorfeld wird es als touristischer Impulsgeber angepriesen, dessen jährlich 30'000 Besucherinnen und Besucher auch die Hotels, Restaurants und die Bergbahnen nutzen sollen. Umso störender sind die derzeitigen Misstöne – dies ganz im Gegensatz zum Werbeclaim "Toggenburg – Klingt gut".

Irritierend ist insbesondere die Art und Weise der Kommunikation. Während auf der anderen Seite des Säntis die vier Appenzeller Bergbahnen einig zusammenspannen, gemeinsam auftreten und gar Gutscheine für andere Bergbahnen verteilen, scheint eine ähnliche Zusammenarbeit im Toggenburg äusserst schwierig. Dabei bedienen die Toggenburger ein gemeinsames Ski- und Wandergebiet – dies im Gegensatz zu den verstreuten Appenzeller Bergbahnen.

Aktuell ist unklar, welche Strategie hinter dem tarifären Konflikt steht. Im Vorfeld der Neubauten hat die eine Bergbahn erfolgreich ihr Kapital aufgestockt. Bekannt ist zudem, dass die Neubauten der Basler Stararchitekten Herzog und de Meuron eine neue Klientel auf den Berg locken sollen. Angebot und Preise wurden bereits angepasst. Im Tal ist die Frage aufgetaucht, ob es im Duktus der einstigen feindlichen Übernahme jetzt um ein Aushungern des Partners gehe.

Wie auch immer die Lösung aussehen mag; vorderhand drängt die Zeit. Die Wintersaison steht an, und das Toggenburg ist im harten Konkurrenzkampf mehr denn je angewiesen auf eine unterbruchsfreie Servicekette.

Verschiedene Tarifsysteme würden die Region touristisch um Jahrzehnte zurückwerfen. So bleibt einzig die Hoffnung, dass sich die Leistungserbringer über ihre betriebswirtschaftliche Verantwortung hinaus auch ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung für eine ganze Region bewusst sind.

Marco Moser / GastroJournal


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