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07.04.2016
Transatlantischer Freihandel: Schweiz muss handeln!
Es droht ein gewaltiger Wohlstandsverlust
Bei der zwölften Verhandlungsrunde des Freihandelsabkommens TTIP zwischen EU und USA standen Exporterleichterungen für die USA und einfacherer Zugang zu öffentlichen Aufträgen für die EU auf der Agenda. Reduziert werden könnten die heute 40% US-Zoll auf Molkereiprodukte. Die Preise für europäische Autos würden sinken, weil Autozubehörteile aus den USA günstiger importiert werden könnten. Handel Schweiz fordert rasche Verhandlungen für die Schweiz. Schafft die Schweiz den Anschluss an TTIP nicht, nimmt sie Exporteinbussen von bis zu 15% in Kauf. Handel Schweiz schätzt den Verlust für den einzelnen Bürger auf bis zu 7%, was dem 13. Monatslohn entspricht.
Im globalen Handel werden 2016 die Karten ganz neu gemischt – in einem noch nie gekannten Ausmass. Während der Regierungszeit von Präsident Obama wollen die USA ihre Handelsbeziehungen mit dem pazifischen Raum und mit Europa neu definieren. Der erste Streich ist gelungen: 2015 wurde TTP (Trans-Pacific Partnership, Transpazifische Partnerschaft) verabschiedet, das Abkommen im Pazifischen Raum mit den beiden grossen Playern USA und Japan.
Seit 2013 verhandeln die EU und USA über TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership, Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft), dem Gegenstück im nordatlantischen Raum. Das hat weitreichende Konsequenzen für die Schweiz. Denn die USA und die EU machen nicht nur die Hälfte der Weltwirtschaft aus – sie sind auch die beiden wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Gemeinsam sind die EU und USA in der Lage, weltweit neue Standards im Handel zu setzen – beispielsweise über Normen und gegenseitige Anerkennungen von Prüfverfahren.
Östlich der EU gibt es kein vergleichbares Konstrukt. Für Europa steht viel auf dem Spiel, denn der Kontinent ist handelspolitisch von den USA abhängig. Umgekehrt gilt dies nicht: Die USA sind mehr nach Asien ausgerichtet. Für Europa ist das TTIP deshalb eine einmalige Chance. Kommt es zustande, erhält die alte Partnerschaft USA-Europa auch in politischer Hinsicht neuen Schub. Ohne TTIP wird Europa weiter isoliert. Die USA würden sich dann stärker auf Asien und TTP konzentrieren.
Niedrigere Preise für Jeans, europäische Autos, Erdnüsse und Molkereiprodukte
Gerade wurde die zwölfte Verhandlungsrunde in Brüssel abgeschlossen. Dem Vernehmen nach ist die EU bereit, auf fast alle Einfuhrzölle auf US-Importe zu verzichten – mit Ausnahme der Agrargüter. Bereits heute werden zwischen der EU und den USA nur bei knapp der Hälfte der Produkte Zölle von etwa 2% erhoben.
Allerdings wird bei manchen Produkten wegen der hohen Zölle auf den Handel ganz verzichtet. Darunter fallen Erdnüsse, für die der Zoll 30% beträgt oder die Molkerei-Produkte mit 40%. Sogar bei manchen Agrarprodukten sollen die Zölle gesenkt werden wie bei Limetten, Himbeeren oder Fisch. Ausserdem ist die EU bereit, die Einfuhrabgabe für verschiedene Getreide- und Mehlsorten teilweise zu streichen.
Im Gegenzug sollen europäische Firmen einfacher zu Aufträgen der öffentlichen Hand in den USA kommen. TTIP führt auch zu Preissenkungen in Europa, zum Beispiel bei Textilien aus den USA wie Jeans. Europa spielt als Abnehmer von Textilprodukten "Made in USA" bislang noch keine bedeutende Rolle. Dies dürfte sich bei Annahme von TTIP jedoch ändern.
Zahlreiche Unternehmen aus dem Ausland siedeln sich bereits jetzt in den USA an und bereiten neue Produktionsstätten vor. Sowohl beim Aussenhandel mit Textilien als auch mit Textilmaschinen weisen die USA ein kräftiges Defizit auf. Mit TTIP würde den Textilherstellern in den USA erstmals ein von Handelsschranken befreiter Zugang zu einem Textilmarkt gewährt, der von der Grösse und Kostenstruktur ihrem sehr ähnlich ist. 2014 hat die Branche rund US$ 1 Mrd. in moderne Anlagen und Ausrüstungen investiert.
Mit TTIP würden in Europa auch die Preise von europäischen Autos sinken. Denn zollfreie Auto-Zubehörteile aus den USA würden zum günstigeren Autobau in Europa führen.
Exportrückgang in der Schweiz und höhere Preise
Die Schweiz steht nach wie vor im Abseits, da sie nicht Teil der TTIP-Verhandlungen ist. Der Dachverband Handel Schweiz fordert deshalb die Politik eindringlich zum sofortigen Handeln auf. Kommt TTIP ohne die Schweiz zustande, hat dies erhebliche Nachteile für die Wirtschaftslage der Schweiz. Denn zwei Drittel des Schweizer Aussenhandels finden im Gebiet von TTIP statt.
Handel Schweiz geht von einem Exportrückgang von 12 bis 15% sowie einem Anstieg der Import- und Konsumpreise aus. Einerseits werden für die Schweizer Unternehmen Zertifizierungen teurer, andererseits werden europäische und amerikanische Produkte gegenüber den Schweizern im Vorteil sein. Werden alle direkten und indirekten Effekte zusammengenommen, so schätzt Handel Schweiz die mittelfristigen Verluste für den einzelnen Bürger auf bis zu 7% seines Einkommens. Das entspricht in etwa dem 13. Monatslohn.
Positive Effekte für schwunghaften Handel und stabilen Wohlstand
Was ein Anschluss der Schweiz an TTIP bedeuten kann, zeigen die Beispiele aus einigen Branchen. Annahme: Durch TTIP verschwinden sämtliche Zollschranken; nicht-tarifäre Handelshemmnisse werden deutlich reduziert.
Die Schweizer Textil- und Bekleidungsindustrie exportierte 2012 Waren im Wert von 161 Millionen Franken in die USA. Sie bietet Spezialitäten wie Heimtextilien und Hightech-Produkte aus textilen Materialien an. Im modischen Bereich sind es hochwertige Stickereien oder Stoffe für die Haute Couture. Würden die Importzölle von 15% wegfallen, bedeutete dies eine Ersparnis von 24.2 Millionen Franken. Fielen zusätzlich noch die nicht-tarifären Handelshemmnisse auf beispielsweise die Hälfte, nämlich 6%, so würde die Textilindustrie weitere 9.7 Millionen Franken sparen. Diese 34 Millionen könnten in Forschung und Innovationen investiert werden.
In der Schweizer Medizintechnik werden 90% der Produkte exportiert. Dazu gehören unter anderem Hörgeräte, Dentaltechnik oder Instrumente. Implantate und Prothesen sind die Exportschlager. Im 2015 exportierte die Branche für rund zwei Milliarden Franken in die USA. Bei manchen medizintechnischen Produkten sind verschiedene Zölle bereits abgeschafft, dennoch fallen auf gewissen Waren noch Zölle von 0.8 bis 2.5% an. Beim Wegfall dieser Zölle von rund 2.4% sparte die Branche jährlich etwa 50 Millionen Franken. Der wichtigere Punkt sind aber die nicht-tarifären Handelshemmnisse; hier werden Einsparungen von etwa 5% möglich, was 100 Millionen Franken entspricht.
Insgesamt stünden der Schweizer Medizintechnik beim Anschluss der Schweiz an TTIP jährlich zusätzlich 150 Millionen Franken für Innovation und Forschung zur Verfügung – mit entsprechendem Aufschwung für die Branche und positiver Auswirkung auf Arbeitsplätze und Wohlstand in der Schweiz. Zudem kann im Rahmen der US-Gesundheitsreform mit einem zusätzlichen Bedarf an Medizintechnik gerechnet werden.
Die Automobilindustrie der Schweiz verkauft Bauteile und hochwertiges Zubehör an die global tätigen Fahrzeughersteller. So liefern zahlreiche KMU Maschinen und Werkzeuge für die Bearbeitung von Teilen zum Beispiel von Getrieben. Die Schweizer Automobilindustrie exportiert für 544 Millionen Franken in die USA. Würden 2.2% Zoll wegfallen, so liessen sich 12 Millionen Franken sparen. Mit dem Wegfall von 5% nicht-tarifären Handelshemmnissen gäbe es eine zusätzliche Ersparnis von 27 Millionen Franken, was insgesamt 39 Millionen Franken ausmachen würde.
Die Schweizer Milchwirtschaft exportierte 2012 für 61 Millionen Franken Milch und Milchprodukte in die USA, was knapp 8% der Schweizer Exporte an Agrarprodukten und Nahrungsmittel in die USA darstellt. Milchprodukte weisen in den USA einen durchschnittlichen Importzoll von 22% auf, während für Joghurts und unreifen Käse ein besonders hoher Importzoll von 40%, respektive 33% anfällt. Entsprechend teuer wird Schweizer Käse in den USA denn auch gehandelt und bedient vornehmlich ein Premium-Segment. Entfielen die Importzölle, sparten Schweizer Produzenten jährlich etwa 13.5 Millionen Franken und verfügten zudem über einen grösseren amerikanischen Markt, da ihre Produkte erschwinglicher wären.
Hinzu kommt die Frage nach der Harmonisierung von Gesundheitsvorschriften. Während beispielsweise der französische Mimolette-Käse in europäischen Breitengraden als Delikatesse gilt, wurde er in den USA 2013 von der FDA (Food and Drug Administration) kurzeitig verboten, da die amerikanischen Behörden den Käse für ein Gesundheitsrisiko hielten. Auch heute unterscheiden sich die Bestimmungen für Nahrungsmittel in verschiedenen Punkten. Eine Anpassung der Normen würde auch hier die Kosten senken.
Die Schweizer Uhrenindustrie exportierte 2014 Waren im Wert von 22.2 Milliarden Franken und ist damit vor Hong Kong und China die exportstärkste Nation der Branche. Am stärksten exportierte die Schweizer Uhrenindustrie nach Asien (53.2% des Exports, 11.8 Milliarden Franken). An zweiter Stelle steht die USA mit 14% des Gesamtexports oder 2.4 Milliarden Franken. Der Uhren-Markt wuchs in den USA 2014 um 4.5%. Mit einem durchschnittlichen Importzoll von ca. 6% belegt, sparte die Schweizer Uhrenindustrie bei Wegfall der Importzölle etwa 144 Millionen Franken.
Chancen für Schweizer Landwirtschaft
Sollte die Schweiz nicht Teil von TTIP werden, so droht unter anderem den Schweizer Exporteuren von Medizintechnik und Automobilzulieferern, dass sie von Konkurrenten aus dem TTIP-Raum verdrängt werden. Dies gilt natürlich auch für weitere Branchen, beispielsweise die Landwirtschaft.
Mit TTIP sind die Chancen für die Landwirtschaft enorm. Das erklärt Kaspar Engeli, Direktor von Handel Schweiz: "Durch den Schutz der kontrollierten Herkunftsbezeichnungen und den besseren Marktzugang in die USA haben es schweizerische Spitzenprodukte wie Käse, Bünderfleisch, Schokolade oder Milchprodukte viel einfacher, im amerikanischen Markt Fuss zu fassen. Da tun sich riesige Möglichkeiten auf. Diese gilt es zu nutzen!"
TTIP macht Muscle Car, Cadillac und Harley günstiger
Nicht in allen Branchen sind die Effekte gleich gross. Das zeigen die Beispiele Autos und Motorräder. So ermöglicht es der tiefe Dollarkurs heutzutage vielen Schweizern, sich ihren Traum von einem Cadillac, einem Ford Mustang oder Pontiac Trans Am zu erfüllen. Direkt- oder Parallelimporte in die Schweiz nehmen daher auch stetig zu. Der Käufer eines amerikanischen Autos dürfte mit TTIP durch den Wegfall von Importzöllen und durch mögliche Anpassungen der Standards zwischen 7000 bis 11'000 Franken pro Fahrzeug sparen. Das macht beim Chevrolet Camaro Coupé rund ein Drittel des Preises aus.
Anders bei den Motorrädern: Heute kommen alle importierten Motorräder der Schweiz aus Ländern, mit denen bereits Freihandelsabkommen gelten wie zum Beispiel EU, Japan oder China. Die Ausnahme bilden die amerikanischen Motorräder, wie Roland Müntener, Präsident von Motosuisse erklärt. "Mit TTIP würden auch diese Modelle in der Schweiz vom Zoll befreit" so Müntener. Bei einem Motorrad mit beispielsweise 400 Kilo Brutto-Gewicht betrüge der Preisunterschied 160 Franken. Bei 4000 verkauften amerikanischen Motorrädern pro Jahr ergibt dies immer noch 640'000 Franken.
Heute Marktzugang in die USA erschwert
Saitaku ist eine Marke mit einem japanischen Food-Konzept, die sich seit 2008 sehr erfolgreich etabliert hat. Sie bietet unter anderem zahlreiche Produkte für Sushi-Parties und hat kürzlich die fettfreien, glutenfreien und kalorienarmen Shirataki-Nudeln lanciert. Die Marke Saitaku wird von der Schweiz aus geführt und mit einem britischen Partner in 17 Länder exportiert. Managing Partner Roger Häcki prüft den möglichen Eintritt in den amerikanischen Markt.
"Wir haben uns mit unserem Partner zusammengesetzt und die Situation in den USA analysiert. Wir wägen im Moment noch ab, welcher Weg uns ans Ziel führen könnte. Da gibt es in den USA hohe Anforderungen zu erfüllen, und es braucht viel Vorbereitung", sagt Häcki. "Eines ist sicher, auf uns hat die USA nicht gewartet." Mit einem Anschluss der Schweiz an TTIP würden unter Umständen gewisse Hürden bei den Einfuhrbestimmungen wegfallen. Das heisst: Kosten für Vorabklärungen oder Zertifikate für die Food and Drug Administration FDA könnten entfallen.
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Dossiers: Agrarpolitik | Hochpreisinsel
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