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20.03.2021
Neue alte Getreidesorten
Mit Local Crafting und Schatzbewahrern für Biodiversität
Dinkel, Emmer und Einkorn sind als «Urgetreide» mittlerweile in aller Munde. Die Wenigsten kennen jedoch Blaurot-samtigen Binkel, Schwäbischen Dickkopf-Landweizen oder Mecklenburger Marienroggen: Alte Getreidesorten, die zur Erhaltung und Förderung von Biodiversität neue Aktualität auf unseren Äckern gewinnen.
Zwei Pioniere dieser Renaissance berichteten auf der Getreide-Tagung der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung Anfang März 2021 über die Chancen alter Sorten für kleine, aber feine Marktnischen. Dabei zeigten sie nicht nur die ackerbaulichen Vorteile für die Landwirtschaft auf, sondern präsentierten auch praktische Beispiele für Produkte, die man daraus Mälzen und Brauen oder Mahlen und Backen kann. Bei der virtuellen Tagung konnten die rund 100 Teilnehmenden nur zuhören, schauen und staunen, aber die neuen «Craft»-Biere und Gebäcke leider nicht auch probieren.
Ullrich Schulze von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen präsentierte beispielsweise Brote aus Gelbem Igelweizen oder Binkel und Biere aus Chevallier- oder Imperial-Gersten: alte Getreidesorten von der «Roten Liste gefährdeter einheimischer Nutzpflanzen in Deutschland».
Die Gebäcke und Biere kommen als regionale Premiumspezialitäten auf lokalen Märkten super an, auch wenn sie ihren Preis haben (müssen). Denn die Kornerträge solch wiederentdeckter «mittelalterlichen» Sorten liegen deutlich unter dem üblichen Niveau moderner Sorten, haben aber andererseits ackerbauliche Vorteile für Bodenpflege oder in Fruchtfolgen auf wassersensiblen Anbauflächen.
Dabei sind Knowhow, handwerkliches Geschick und enge Vertragspartnerschaften auf lokaler Ebene wichtige Voraussetzungen zur erfolgreichen Etablierung dieser «neuen-alten» Getreideketten – bis hin zu ihrer Einführung als Craft-Produkte in Bäckereien, Einzelhandel oder Gastronomie vor Ort.
Klaus Fleissner leitet das Projekt «Historische Getreidesorten» im Rahmen des Biodiversitätsprogramm «NaturVielfaltBayern» der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und engagiert sich dort ganz besonders für seine lokalen «SchatzBewahrer».
Mit dieser Initiative sollen alte Sorten wieder in ihrem ursprünglichen Herkunftsgebiet kultiviert werden – zur nachhaltigen Sicherung ausgewählter bayerischer landwirtschaftlicher pflanzengenetischer Ressourcen. «Mit der heimatlichen Liebe für die Schätze der Natur» wächst so auf bayerischen Äckern der Rohstoff für heimisch-lokale Lebensmittel, wie sie vor allem die örtliche Kundschaft handwerklicher Bäckereien und Brauereien zunehmend schätzt.
Doch bis zur Marktpräsenz war ein langer Weg zurückzulegen, der mit einer Daten- und Genbankrecherche und Hunderten möglicher «historischer» Sortenkandidaten begann. Für 46 Weizen- und 34 Gerstensorten wurden schliesslich inhaltsstoffliche Untersuchungen in Backlabor und Versuchsmälzerei der LfL gemacht.
«Es zeichnen sich eine ganze Reihe von Erfolgen bei der Entwicklung innovativer Produkte und Nutzungsmöglichkeiten für alte Getreidesorten in kleinen, regionalen Wertschöpfungsketten ab», sagte Fleissner. Zwar gibt es keine gesundheitlichen Vorteile der alten Getreidesorten als Verkaufsargument, vielmehr stehen am Ende dieser rekultivierten Getreideketten schmackhafte «Heimatgebäcke mit schatzbewahrendem Mehrwert» für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Heiko Zentgraf / bzfe
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Dossier: Nahrungsmittel
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