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18.03.2016

Der konservierte Genuss

Über Fermentiertes und Eingemachtes in der Küche

Es gärt in den Spitzenküchen des Landes. Von nordischen Küchenkonzepten inspiriert, setzen auch innovative Schweizer Köche auf die Konservierungs- und Zubereitungsmethode.

Fast überall auf der Welt sind durch Fermentation bedeutende Speisen entstanden: Man denke an Kimchi, den vergorenen Chinakohl – eines der wichtigsten Nationalgerichte Koreas – oder an Sauerkraut, das auf der ganzen Welt als "typisch deutsch" gilt.

Für Spitzenköche wie Nenad Mlinarevic vom Park Hotel Vitznau, Jann Hoffmann vom Restaurant Café Boy oder Fabian Spiquel vom Maison Manesse in Zürich gehört die traditionelle Konservierungsmethode längst zum kreativen Grundrepertoire. Um Sauerkraut geht es den Gourmetköchen aber nicht. Sie fermentieren Gemüse, Früchte, Blüten, Gewürze und experimentieren sogar mit der Vergärung tierischer Produkte.

Die Renaissance des Einmachens hat mit der Entwicklung der "radikal lokalen" skandinavischen Küche begonnen. Während man bei uns noch immer die saisonale Marktküche propagierte, stellten die Skandinavier Regionalität über Saisonalität. Anstatt im Winter also gar kein Gemüse im Menü zu haben, machten die avantgardistischen Küchenchefs dieses haltbar – mittels Fermentation. Unter dieser Bezeichnung werden diverse anaerobe Prozesse zusammengefasst.

Bei der Fermentation von Gemüse, die in Küchen hauptsächlich praktiziert wird, geht eine Milchsäuregärung vonstatten. Das Grundprodukt gärt hierbei in einem Wasser-Salz-¬Gemisch unter Sauerstoffausschluss, also vollständig von Flüssigkeit bedeckt, oder im Vakuumbeutel, mit der Möglichkeit, Gärgase wie CO2 abzuführen. In diesem Milieu vermehren sich Mikroorganismen, allen voran Milchsäurebakterien, welche die im Gemüse vorhandenen Kohlenhydrate in Milchsäure umwandeln.

Das Resultat besitzt den typischen, würzig-sauren Geschmack und eine erhöhte Haltbarkeit. Wie jede Gärung ist aber auch diese kaum kontrollierbar, erst das Endprodukt offenbart, ob der Prozess wirklich gelungen ist.

Aber wie steht es um die Lebensmittelsicherheit bei Fermentiertem? Stefan Kunfermann vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV stellt klar, dass die Fermentation ein traditionelles Verfahren zur Konservierung und damit unproblematisch sei: "Konkrete Vorgaben an die Fermentation werden im Lebensmittelrecht aktuell keine gemacht. Selbstverständlich müssen die Köche dafür sorgen, dass bestimmte Stoffe und Organismen nur in Mengen enthalten sind, welche die menschliche Gesundheit nicht gefährden können."

Der Schweizer Koch Simon Schneeberger, der seit einigen Jahren in Kopenhagen lebt und arbeitet, hat das Fermentieren in Dänemark gelernt. "Wenn wir im Restaurant ein Produkt nicht frisch verwerten können, dann fermentieren wir es, anstatt es wegzuwerfen", erklärt der Fermentationsprofi. Das funktioniere grundsätzlich mit sehr vielen Dingen, am wichtigsten dabei sei aber, sehr genau und sauber zu arbeiten. "Es kam auch schon vor, dass ein Produkt nach zehn Tagen hervorragend war, aber am elften Tag strenge Noten zeigte und entsorgt werden musste", erklärt Schneeberger.

Weder für die Spitzenköche Skandinaviens noch für die in der Schweiz stehen beim Fermentieren die Konservierung des Lebensmittels an erster Stelle – und die positiven Eigenschaften für die Gesundheit wie ein erhöhter Vitamin-C-Gehalt der vergorenen Lebensmittel ebenso nicht. Primär geht es ihnen dabei um die neue Geschmacks- und Aromadimension. "Fermentiertes ist besonders in Kombination mit anderen Lebensmitteln oder mit bestimmten Weinen interessant", sagt Schneeberger.

Die Fermentation von frischen Lebensmitteln ist ein spannendes Tummelfeld für experimentell arbeitende Spitzenköche, ein perfektes Gegenkonzept zu vielen standardisierten Lebensmitteln und eine Chance für Betriebe, die auf hausgemachte Kost setzen. Doch wird die Methode auch andere Sparten der Gastronomie erreichen, so ähnlich wie die Sous-Vide-Methode? Simon Schneeberger verneint: "Die Geschmackswelt von Fermentiertem ist vielen sehr fremd und hat ihren Platz in der mittleren und gehobenen Gastronomie", sagt er. Sauerkraut mag schliesslich auch nicht jeder.

Benno Herzog / GastroJournal


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