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01.05.2017
«Mehr über unsere Stärken sprechen»
Dehoga-Präsident Zöllick über Leidenschaft und Herausforderungen
Was ihn an- und umtreibt, was er für die Branche erreichen will und wo er Chancen sieht: Guido Zöllick im Gespräch.
Guido Zöllick stammt aus der Hansestadt Rostock, ist gelernter Restaurationsfachmann und führt als Gastgeber seit 2007 das Hotel Neptun in Warnemünde. Im November hat er die Nachfolge von Ernst Fischer angetreten und präsidiert den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga Bundesverband).
Seit November sind Sie nun im Amt. Was treibt und was streben Sie als neuer Präsident des Dehoga Bundesverbandes an?
Guido Zöllick: Aus Überzeugung und mit Dankbarkeit versuche ich, der Branche durch mein ehrenamtliches Engagement etwas zurückzugeben, was mir die Gastronomie und Hotellerie ermöglicht haben: berufliche Erfüllung, persönliche Weiterentwicklung, herausragende Perspektiven. In meinem Amt sehe ich mich als Dienstleister für eine der schönsten, abwechslungsreichsten und spannendsten Branchen sowie als Anwalt für Millionen Gastgeber aus Leidenschaft, die tagtäglich ihr Bestes geben. Die Begeisterung für und mit Menschen zu arbeiten und die grosse Lust, Verantwortung zu übernehmen und zu gestalten, treiben mich an.
In diesem Sinne freue ich mich auf ein intensives, hochpolitisches Jahr 2017 mit zwei ausstehenden Landtagswahlen und der Deutschen Bundestagswahl im September. Jetzt gilt es, unsere Branchenanliegen besonders wirkungsvoll zu vermitteln. Wir werden uns in die politische Diskussion einbringen und sind gespannt auf die Lösungsangebote der Parteien für nachhaltiges Wachstum im Gastgewerbe.
Inwiefern ist es eine Herausforderung, in die Fussstapfen eines Schwergewichtes wie Ernst Fischer zu treten?
Ernst Fischer war ein Glücksfall für die Branche. Seine Verdienste sind riesig, ich nenne beispielhaft nur die Abschaffung der Trinkgeldbesteuerung oder die reduzierte Mehrwertsteuer für die Hotellerie. Seine Fussstapfen bleiben sichtbar. In diese trete ich und will den erfolgreichen Weg fortsetzen – dem Amt aber auch eigene Akzente geben. Dabei bin ich nicht auf unbekanntem Terrain unterwegs, ich kenne das Geschäft und seine Themen nach elf Jahren an der Spitze des Dehoga Mecklenburg-Vorpommern und nach vier Jahren als stellvertretender Präsident des Bundesverbandes. Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man konsequent, ehrlich und verlässlich auftritt, wenn man bei den Entscheidern mit Argumenten am Ball bleibt, dann kann man die Brancheninteressen am effektivsten vertreten.
Bürokratie und Regulierungen bestimmen immer mehr den gastgewerblichen Alltag. Wie kann hier für die Gastgeber Linderung geschaffen werden?
Für unsere Betriebe gibt es auf kommunaler, auf Landes- und Bundesebene mehr als 20 Dokumentationspflichten – ob Allergeninformation, kommunale Bettensteuer oder Arbeitszeitdokumentation nach dem Mindestlohngesetz. Trotz anderslautender politischer Versprechen ist in den vergangenen Jahren sogar eine Vielzahl von Dokumentationspflichten noch hinzugekommen. Die Grenze der Belastbarkeit ist für viele mittelständische Betriebe überschritten. Gastwirte und Hoteliers wollen gute Gastgeber sein, am Schreibtisch können sie dieser Rolle nicht gerecht werden.
Bürokratieabbau ist daher in unserem «Dehoga-Wahlcheck», der an die Parteien und Kandidaten zur Bundestagswahl geht, ein ganz wichtiges Kapitel. Ein Lösungsansatz könnte unserer Meinung nach sein, einen Schwellenwert von zum Beispiel 20 Mitarbeitern zu definieren. Unter diesem Schwellenwert könnte grundsätzlich und in breiter Form auf überflüssige und zeitraubende Bürokratie verzichtet werden.
Zwei grosse Themen, die Sie bei Ihrer Amtszeit genannt haben, sind die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes sowie die steuerliche Gleichbehandlung von Speisen. Inwiefern sind Sie zuversichtlich, diese Ziele zu erreichen?
Zuversicht und noch mehr überzeugende Branchenargumente sind der Kompass, der uns leitet. Ende März haben wir in Berlin unsere Kampagne «Höchste Zeit für Wochenarbeitszeit» gestartet. Das Arbeitszeitgesetz mit seiner Höchstgrenze von im Regelfall 8, im Höchstfall 10 Stunden widerspricht Gäste-, Mitarbeiter- und Unternehmerwünschen. Unser Vorschlag lautet, das Arbeitszeitgesetz von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umzustellen. Einfaches Beispiel: Dauert eine Hochzeit an einem Freitagabend zwei Stunden länger, wird länger gearbeitet – dafür am Montag darauf zwei Stunden kürzer. So flexibel stellen wir uns Dienstleistung und Arbeitszeitpolitik im Jahr 2017 vor.
Auch die steuerliche Gleichbehandlung von Speisen ist längst überfällig. Es ist doch niemandem vernünftig zu erklären, warum Essen im Sitzen anders besteuert wird als Essen im Stehen. Warum fallen für einen Fertigsalat mit Dressing 7 Prozent Mehrwertsteuer an, für einen frisch zubereiteten im Restaurant aber 19 Prozent? Hier fördert der Staat die falsche Richtung.
Digitalisierung, Strukturwandel, fehlende Nachfolge, die Liste der Herausforderungen im Schweizer Gastgewerbe ist und bleibt lang. Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die deutschen Gastgeber?
Mir ist wichtig, dass wir neben allen Herausforderungen mehr über unsere Stärke sprechen. Wir blicken auf den siebten Übernachtungsrekord und das siebte Plus in Folge. Der Tourismus befindet sich weiter auf Wachstumskurs. Unser Jobmotor ist unglaublich stark: In den vergangenen zehn Jahren haben unsere Betriebe 285 000 neue sozial-versicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen – ein Plus von 38,5 Prozent. In der Gesamtwirtschaft waren es im Vergleich nur 18,3 Prozent. Ich finde, ein wenig mehr Selbstbewusstsein stünde uns gut an.
Herausforderungen gibt es dennoch viele. Die grösste überhaupt ist wohl, Nachwuchs zu finden, zu binden und langfristig zu begeistern. Neben einer modernen Ausbildung sind die Betriebe unter anderem gefordert, beim Nachwuchsmarketing neue Wege zu gehen und stärker in die Ausbildungsqualität zu investieren.
Die Online-Buchungsplattformen und auch die Buchungen, die über sie getätigt werden, nehmen immer mehr zu, während im Vergleich dazu die Direktbuchungen sinken, da hilft auch eine Aktion «Direkt Buchen» wenig. Inwiefern wird sich diese Entwicklung noch zuspitzen?
Dieser Trend wird anhalten. Und dennoch bringt unsere mit den europäischen Kollegen gestartete «Direkt-Buchen-Kampagne» viel Rückenwind: Der Anteil der Echtzeit-Reservierungen über die eigene Website des Hotels steigt. Immer mehr Hotels machen mit und bewerben ihre Angebote offensiv. Gäste, Presse und Politik sind zunehmend sensibilisiert für das Thema. Gleichwohl gibt es noch grosses Entwicklungspotenzial. Die Marktbedingungen zwischen den verschiedenen Akteuren müssen ausgeglichener werden. Jeder einzelne Hotelier muss die Freiheit haben, die Preise und Bedingungen für seine eigenen Produkte frei bestimmen zu können und jeden von ihm gewünschten Vertriebskanal zu bedienen.
Unsere Einschätzung teilen inzwischen immer mehr politische Entscheider. Es ist das Gebot der Stunde, einen rechtlichen Rahmen für die Plattformökonomie zu schaffen, der monopolistische Strukturen verhindert und zugleich Zukunftschancen eröffnet. Ein besonderes Augenmerk muss hier wettbewerbsbeschränkenden Klauseln der Portalökonomie gelten. Dann sind wir durchaus optimistisch, dass die Direktbuchungen in den kommenden Jahren weiter zunehmen.
Auch die Sharing Economy (Airbnb & Co.) beschäftigt die gastgewerbliche Branche. Was sind die nächsten Schritte betreffend dieser Thematik?
Der Gesetzgeber ist gefordert, für ein «level playing field» zu sorgen. Gleiche Rechte und Pflichten für alle Marktteilnehmer – ob neu oder etabliert, ob analog oder digital. Es kann nicht sein, Hotels mit immer kostenintensiveren Auflagen zu Brandschutz, Hygiene und Sicherheit zu überziehen, während sich in deren Schatten ein davon fast völlig unbehelligter Markt der Privatvermietung zum Konkurrenten aufschwingen kann. Was hat es mit «Sharing» zu tun, wenn milliardenschwere US-Plattformen reichlich Geld auf dem Übernachtungsmarkt verdienen, aber vielen Verpflichtungen und Regularien nicht unterliegen? Und für Ausbildung und Beschäftigung sorgen Airbnb und Co. schon gar nicht.
Inzwischen regt sich ziviler und gesetzgeberischer Widerstand wie die Zweckentfremdungsverbote in Berlin und München, die Novellierung des hessischen Wohnaufsichtsgesetzes, die Änderungen im Bauordnungsrecht oder das für uns besonders wichtige Urteil des Bundesgerichtshofes, wonach Mieter ihre Wohnung nicht ohne Zustimmung des Eigentümers weitervermieten dürfen. Unter dem Dach von Hotrec haben wir ein Strategiepapier für fairen Wettbewerb erstellt. Zusammen mit dem Hotelverband sind wir in Berlin und Brüssel hier weiter an allen relevanten politischen Fronten für die Branche aktiv.
Christine Bachmann / GastroJournal
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