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08.03.2013
Herberge der Schweizer Staatsgäste wird 100-jährig
Die aufregende Geschichte des Berner Luxushotels Bellevue-Palace
Die Schweizerische Eidgenossenschaft finanziert nicht nur die AHV, wacht über Gesetze und unterhält eine Armee – sie besitzt in Bern auch ein Hotel! Es ist das "Bellevue Palace", offizielles Gästehaus des Bundes, und es wird in diesem Jahr 100-jährig.
sda. Aus diesem Anlass hat Direktor Urs Bührer kürzlich einen Reporter der Schweizerischen Depeschenagentur sda durch das denkmalgeschützte Gebäude geführt. Via Lobby – den ehemaligen Wintergarten schützt noch heute ein schönes Glasdach vor der Witterung – geht es zuerst in den Salon du Palais.
Dort sind die Türen verglast, die Wände und die Decke voller Stuck, herab hängen Kronleuchter und die Fenster flankieren schwere Vorhänge. Ein prachtvoller Saal. Doch Bührer sagt trocken: "Alles Täuschung. Hinter dem Verputz steckt nüchterner Eisenbeton." 1913, als das Haus gebaut wurde, war diese Bautechnik pionierhaft.
Auch auf der anderen Seite des Wintergartens gibt es einen prunkvollen Saal, den Salon Royal, wo im letzten Sommer die Boxer Wladimir Klitschko und Tony Thompson vor ihrem WM-Kampf im Stade de Suisse erste (rhetorische) Hiebe austeilten. Das Erdgeschoss des Hotels Bellevue komplettieren ein Restaurant und weitere Säle.
Präsidentensuite mit Panzerglas
Über 128 Zimmer verfügt das "Bellevue" heute, mit Preisen von 399 Franken an aufwärts. Ein erster Teil dieser Gästezimmer befindet sich im ersten Stock. Es sind aber noch nicht die schönsten; im ersten Obergeschoss teilen sie sich die Fläche mit Kongressräumen und Sitzungszimmern.
Es ist vielmehr der dritte Stock, die "Bel Etage", der die besten Zimmer und Suiten beherbergt. So auch die mit Panzerglas gesicherte Präsidentensuite. Das ist eine eigentliche Wohnung mit 158 Quadratmetern Fläche, aufgeteilt in zwei Schlafzimmer, zwei Salons und eine kleine Küche.
Natürlich sind die Möbel in dieser Suite äusserst stilvoll-klassisch und die Stoffe exquisit. Und von den Fenstern aus hat der Gast eine tolle Aussicht auf die Berner Altstadt, die Aare und – bei schönem Wetter – die Alpen.
Moderner ist der Stil in den Gästezimmern des fünften Stocks. Hier wohnten früher Dienstboten und Kammerzofen. Die Innenarchitekten haben hier "loftige" Zimmer geschaffen, wie Bührer sagt. Seit 2009 schliesst ein Fitness-Raum das Hotel gegen oben ab, das "Bellevue Gym". Es ist ein Aufbau im sechsten Stock.
Eigene Floristin, modernste Küche
Mit dem Lift geht es nun wieder ins Erdgeschoss und von dort aus hinter die Kulissen. Apropos Kulissen: Urs Bührer vergleicht das "Bellevue" mit einem Theater. "Auch im Novotel kann man gut übernachten", sagt er; "wir müssen mehr bieten."
Deshalb leistet sich das "Bellevue" eine eigene Floristin, die pro Monat für 20'000 bis 25'000 Franken Blumen einkauft, eine Werkstatt für Reparaturen aller Art und eine topmodern eingerichtete Küche. Bis zu 1200 Mahlzeiten bereitet das Küchenteam pro Tag zu.
Kernstück der Küche ist ein nur etwa ein auf zwei Meter grosser Ofen, der Fleisch, Fisch und Kuchen miteinander garen respektive backen kann, ohne dass sich die Gerüche vermischen. Er ist auch in der Lage, Fleisch so zu präparieren, dass es keine Rolle spielt, wenn der Aussenminister mit seinem Gast eine Stunde länger spricht als vorgesehen. "Absolut Hightech", sagt Bührer.
Im "Office", also dem Nervenzentrum der Küche, sieht man auf zwei oder drei A4-Blättern Porträtfotos mehrerer Bundesparlamentarier. Daneben notiert ist, was diese Stammgäste beim Essen nicht auf dem Tisch wünschen. Das spart Umstände – und damit den prominenten Gästen Zeit.
Beim Lieferanteneingang erklärt Bührer, wie das "Bellevue" beim internen Transport von Waren und beim Putzen der Zimmer grössten Wert auf Hygiene legt. So müssen etwa die Zimmermädchen fürs Abstauben sauberer Oberflächen gelbe Putzlappen benutzen, fürs Putzen von Spiegeln und Fenstern blaue und für die Toiletten rote.
"Stellen Sie sich vor, ein Staatsgast übernachtet im Bellevue Palace und muss am nächsten Tag ein Treffen wegen einer in Bern eingefangenen Magenverstimmung absagen: Eine Staatsaffäre!", sagt Bührer. Wehe also der Angestellten, welche diese Regel bricht.
In der Bar geht immer noch die Post ab
Den Rundgang beschliesst Bührer in der "Bellevue-Bar". Um sie ranken sich zahlreiche Geschichten. John le Carrés Spionagethriller "Agent in eigener Sache" wurde in diesem Raum gedreht; schliesslich soll sich manch echter Agent dort mit Kontaktpersonen getroffen haben.
Zudem gilt dieser Raum als Treffpunkt der Politiker, als einer der Schauplätze der "Nacht der langen Messer" vor Bunderatswahlen, wenn Parteivertreter die letzten Abmachungen treffen. Alles alte Geschichten, Herr Bührer? "Manchmal geht hier schon die Post ab", sagt dieser, "im Sommer auch auf der Terrasse".
Das "Bellevue" beherberge "extrem viele Anlässe" und liege sehr nahe vom Bundeshaus. "So treffen sich die Leute eben hier."
Autor: Rainer Schneuwly / sda
Ursprünge im aufkommenden Tourismus des 19. Jahrhunderts
Als Bern 1848 zur Bundesstadt wurde, musste die Stadt den eidgenössischen Räten und der Bundesverwaltung die geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. So entstand am Rand der Altstadt das Bundeshaus.
Wo sich früher das Inselspital befand, wurde Ende des 19. Jahrhunderts das Bundeshaus West hochgezogen. Daneben standen die alte Münzstätte und das Haus, in dem der Berner Gelehrte Albrecht von Haller wohnte. Dieses Terrain erwarb im Jahr 1864 der Berner Wirt Friedrich Osswald.
Bei Osswald im "Falken" wohnten nämlich schon damals vornehme Gäste der Schweizer Regierung. Von einem Hotel an dieser Stelle mit Sicht auf Stadt und Berge versprach sich der gebürtige Deutsche Mehreinnahmen durch den aufkommenden Tourismus. Er nannte denn auch die neue Herberge nach der herausragenden Aussicht "Bellevue".
1912/13 wich dieser Vorgängerbau einem neuen Gebäude, dem "Bellevue Palace" in heutiger Gestalt. Die Einweihung fand am 27. November 1913 statt, wie einer im Internet publizierten Geschichte des Berner Fünfsternhotels zu entnehmen ist.
Im Ersten Weltkrieg machte das Militär mit General Ulrich Wille das Hotel vier Jahre lang zum Hauptquartier. Während des Zweiten Weltkriegs trafen sich auf der einen Seite des Restaurants "La Terrasse" die Gäste aus den Achsenstaaten, auf der anderen Seite Vertreter der Alliierten.
Die Bar wurde zum Treffpunkt von Politikern, Diplomaten und Journalisten. Das verschaffte ihr einen speziellen Ruf.
Ein Geschenk der Nationalbank
Den Zweiten Weltkrieg überstand das "Bellevue" gut, geriet aber durch Weltwirtschaftskrisen und schwindende Übernachtungszahlen ins Trudeln. 1976 erwarb die Schweizer Nationalbank die Aktienmehrheit und schenkte das Hotel dem Bund im Jahr 1994. 99.7 Prozent der Aktien sind heute im Besitz der Eidgenossenschaft.
Nach mehreren Renovationen und Erneuerungen beherbergt das "Bellevue" heute jährlich über 40'000 Gäste und begrüsst mehr als 800'000 Besucher in Restaurants und Festsälen. Geführt wird es von der Victoria-Jungfrau Collection AG, einer Kette von Luxushotels in der Schweiz.
Direktor Urs Bührer ist ein Angestellter der VJC. Er sagt, zu 65 bis 70 Prozent sei das "Bellevue" heute ein Geschäftshotel. Der Freizeittourismus macht etwa zehn Prozent aus, der übrige Umsatz geht auf Kongresse zurück. Etwa 45 Prozent der Gäste sind Schweizer. Aus 17 Nationen stammen die rund 200 Angestellten im "Bellevue", davon sind 140 fest angestellt.
Kleine Ausstellung in Lobby
Zum Jubiläum zeigt das "Bellevue" derzeit in der Empfangshalle Erinnerungsstücke aus seiner reichhaltigen Geschichte. Wer eintritt, findet auf Tischchen gerahmte Gästebucheinträge von Persönlichkeiten wie Charlie Chaplin und dem Komponisten Franz Lehar sowie Fotos zahlreicher berühmter Gäste. So haben etwa schon Staatsoberhäupter wie Queen Elisabeth II., Michail Gorbatschow und Fidel Castro im klassizistischen Gebäude logiert.
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