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24.04.2016
Jeder elfte Städtereisende schläft bei Airbnb
Zimmervermietungs-Boom verschärft Lage am Wohnungsmarkt
Online-Portale vermitteln in Deutschland jährlich rund 15 Millionen Übernachtungen bei "privaten" Zimmervermietern. Insgesamt werden Zehntausende Privatunterkünfte dauerhaft an Touristen vermietet, was die ohnehin angespannte Lage am Wohnungsmarkt verschärft. Das Airbnb-Phänomen führt auch dazu, dass Tourismusstatistiken verfälscht werden.
Mehr als 14.5 Millionen Übernachtungen in Privatunterkünften werden in Deutschland jährlich über Online-Portale wie zum Beispiel Airbnb, Wimdu oder 9flats vermittelt und daher von der amtlichen Statistik nicht erfasst.
"Der Tourismusrekord liegt also noch deutlich höher als die für 2015 offiziell gezählten 436 Millionen kommerziellen Übernachtungen, nämlich bei mehr als 450 Millionen", erläutert Dr. Stefan Brauckmann, Leiter der Abteilung Research & Analyse des Immobilienentwicklers GBI AG.
Der Wissenschaftler und sein Team haben 179 Städte mit mehr als 50'000 Einwohnern untersucht. Ergebnis: Bezogen auf die dort offiziell rund 157 Millionen Übernachtungen ergibt sich über Privatunterkünfte ein Zuschlag von 9.3 Prozent.
"Somit übernachtet faktisch etwa jeder elfte Städtereisende bei Airbnb & Co.", so Brauckmann: "Das Phänomen konzentriert sich besonders auf die Metropolen. Mehr als zehn Millionen Graumarkt-Übernachtungen finden in den Millionenstädten Berlin, München, Hamburg und Köln statt." Die restlichen rund vier Millionen Übernachtungen in Privatquartieren verteilen sich auf die übrigen 175 Städte.
In den Millionen-Metropolen ist im Deutschland-Vergleich nicht nur die absolute Zahl der Übernachtungen in Privatquartieren Spitze, sondern auch der prozentuale Zuschlag im Vergleich zu den bereits in der amtlichen Statistik erfassten Gästezahlen.
Brauckmann: "In Berlin kommt zu 30.25 Millionen offiziell gezählten Übernachtungen ein Graumarkt-Plus von 6.1 Millionen oder 20.2 Prozent hinzu, der höchste Wert in allen Städten." Hamburg weist hier ein Plus von 15.7 Prozent, München 13.6 Prozent und Köln 10.8 Prozent aus.
In die Riege der Millionenstädte schiebt sich Leipzig, auf den zweiten Ranking-Platz mit 17.9 Prozent. "Leipzig wird zum einen als Reiseziel immer beliebter. Zum anderen hat sich hier eine besonders starke Privatquartier-Szene entwickelt, viel stärker etwa als in deutlich grösseren Städten wie Frankfurt am Main oder Stuttgart", so Brauckmann.
46'400 Unterkünfte dem Wohnungsmarkt entzogen
Die zusätzlich ermittelten mehr als Millionen Übernachtungen verteilen sich bundesweit auf mehr als 46'400 angebotene Privatunterkünfte. "Diese Zahlen sind bemerkenswert, zumal wir nur komplette Unterkünfte ermittelt haben, die dauerhaft zur Vermietung angeboten wurden. Werden über Airbnb & Co. lediglich Schlafstellen ohne eigenes Bad und WC angeboten, haben wir diese nicht erfasst", erläutert Brauckmann.
In Berlin etwa würden ansonsten zu 14'400 kompletten Dauerunterkünften weitere rund 9600 Angebote hinzukommen. Ziel der GBI-Studie ist aber vielmehr, Unterkünfte zu ermitteln, die eine quasi-gewerbsmässige Konkurrenz zu Hotels und Pensionen darstellen und zudem einen anhaltenden Effekt auf den regulären Wohnungsmarkt haben.
Dort sinkt durch die Vermietung an Städtereisende nämlich das Angebot kleiner Apartments. So gibt es beispielsweise in Berlin ohnehin nur 75'000 Ein-Zimmer-Wohnungen, rechnerisch lediglich für jeden zwölften Ein-Personen-Haushalt. In anderen Grossstädten ist das Verhältnis ähnlich ungünstig. Brauckmann: "Wenn dann mehrere tausend solcher Unterkünfte überwiegend in Innenstadtlagen dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt entzogen werden, verstärkt das den Engpass extrem."
Einem rechtlichen Verbot der Privatvermietungen steht Brauckmann jedoch skeptisch gegenüber, nicht nur in Berlin. Dort hat der Staatssekretär für Bauen und Wohnen angekündigt, ab Mai mit verschärfter Überwachung auf die Einhaltung des Zweckentfremdungsverbots zu pochen. Wer dann keine Genehmigung des Bezirks vorweist, riskiert als Privatvermieter Bussgelder, das Gesetz sieht Strafen von bis zu 100'000 Euro vor.
Portale müssen laut einer neuen Regelung den Bezirksämtern Auskunft über Anbieter von Wohnungen für Touristen geben. "Doch das Vorgehen löst kaum das grundlegende Problem", betont Brauckmann: "Viel effektiver wäre es, dem wachsenden Personenkreis, der länger als ein paar Tage in Berlin und anderen gefragten Städten bleiben möchte, preisgünstige Alternativen zum herkömmlichen Beherbergungs- und Wohnungsmarkt anzubieten."
Gruppenunterkünfte werden nach Auffassung Brauckmanns künftig extrem wichtig, denn vor allem Familien und Kleingruppen nutzen Vermittlungsportale: "Die in Deutschland bisher wenig verbreiteten Hostels könnten eine günstige und effektive Alternative darstellen." Das gleiche gilt für Serviced Apartments. Diese werden neben Touristen und Wochenendpendlern auch von Dienstreisenden genutzt, die einige Wochen oder Monate in der Stadt bleiben.
Mit solchen Angeboten seien in Berlin bei Aufenthalten von mindestens einer Woche Übernachtungspreise von 35 bis 40 Euro pro Tag möglich, noch mal deutlich unter Preisen für Budgethotels. "Gibt es ausreichend solche Angebote für Städtereisende, werden Privatvermietungen bei Airbnb abnehmen – und nicht durch Verbote, die ohnehin in der Praxis kaum durchsetzbar sind", so Brauckmann.
Dass das Airbnb-Phänomen in Metropolen ausgeprägt ist, dafür sorgt der Boom des Städtetourismus. In den vergangenen zwanzig Jahren erhöhten sich die Übernachtungszahlen bundesweit um 54 Prozent. In Städten mit mehr als 500'000 Einwohnern lag die Steigerungsrate sogar mehr als drei Mal höher, bei 180 Prozent. Der Marktanteil des Grossstädte-Tourismus stieg dadurch von 11.4 Prozent in 1996 auf 20.8 Prozent in 2015.
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Dossier: Parahotellerie
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