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29.11.2019

Weshalb Fleischersatzprodukte polarisieren

Stark bearbeitet und voller Zusatzstoffe

In der Schweiz entwickelt sich der Markt für Fleischprodukte prächtig. Dennoch entscheiden sich immer mehr Grossverteiler und Restaurants, Fleischersatzprodukte in ihr Angebot aufzunehmen. Eine Idee, die nicht allen schmeckt.

Seit den jüngsten Parlamentswahlen steht fest, dass sich eine grüne Welle über die Schweiz ausbreitet. Das Wahlresultat zeigt, dass es die Schweizerinnen und Schweizer beschäftigt, welche Auswirkungen ihr Lebensstil auf die Umwelt hat.

So reisen manche bewusst ohne Flugzeug in die Ferien, während andere auf Plastik verzichten – und so auch ein Umdenken im Gastgewerbe anstossen. Denn rund 30 Prozent der Umweltschäden sind auf die Ernährung zurückzuführen und davon wiederum die Hälfte auf tierische Produkte.

Das veranlasst immer mehr Menschen dazu, ihre Ernährung umzustellen und weniger Fleisch zu konsumieren. Doch wird der Inhalt auf den Tellern der Schweizerinnen und Schweizer tatsächlich immer grüner?

Analysiert man die Fleischverkaufszahlen in der Schweiz, so lautet die Antwort nein. Denn laut Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, kauft jeder Bewohner seit 1999 zwischen 49.4 und 51.9 Kilogramm Fleisch pro Jahr ein (2018 waren es 51 Kilogramm). Der Fleischkonsum ist also seit zwanzig Jahren stabil.

Zwar belegen die Zahlen nur die Fleischmenge, die verkauft worden ist, und nicht jene, die tatsächlich konsumiert wurde: Denn ein Kilogramm Hühnchen besteht zu einem Grossteil aus Knochen. Doch nicht nur bei den Verkaufszahlen, sondern auch bei den Präferenzen ist vieles beim Alten geblieben: Schweinefleisch ist bei Schweizern nach wie vor am beliebtesten, gefolgt von Geflügel und Rindfleisch.

«Eine Studie, die wir letztes Jahr durchgeführt haben, zeigt auf, dass 94 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer Fleisch essen», sagt Regula Kennel, Leiterin Unternehmensentwicklung bei Proviande.

«Wir sind gespannt auf die Zahlen aus diesem Jahr. Denn der Veganismus wird innerhalb unserer Branche immer mehr zum Thema. Oft ändern die Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten, um die Umwelt zu schonen oder weil sie mit den Zuchtbedingungen nicht einverstanden sind. Dabei sind die Produktionsbedingungen in der Schweiz der Topografie angepasst und können nicht mit jenen Ländern verglichen werden, aus denen wir Fleisch importieren.»

Da es keine Statistiken über den Fleischkonsum im Gastgewerbe gibt, hat GastroJournal bei Restaurants nachgefragt, die sich auf Burger spezialisieren. Von den Befragten sind sich alle einig: Beim Fleischkonsum ist kein Rückgang zu verzeichnen, ganz im Gegenteil.

«2018 hat McDonald’s insgesamt 4840 Tonnen Rindfleisch gekauft. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Zunahme von 8.8 Prozent», betont Deborah Murith, Corporate Relations Manager. Die Fast-Food-Kette bietet seit 1996 eine vegane Option an, doch die grosse Mehrheit der Kunden entscheidet sich für einen klassischen Rindfleisch-Burger.

Ähnlich sieht es bei Zoo Burger in Lausanne aus: «Aus ethischen Gründen bieten wir eine grosse Auswahl an vegetarischen Burgern an, die ungefähr einen Drittel unseres Angebots ausmachen, sprich sieben von insgesamt zwanzig Burgern», erklärt Manot Berger, Geschäftsführer des Lokals an der Rue Marterey. «Seit fünf Jahren bauen wir das Angebot kontinuierlich aus und haben auch vegane Burger hinzugefügt. Doch die meistverkauften Burger sind und bleiben jene aus Rindfleisch.»

Fleischersatzprodukte, ein Markt im Aufschwung

In der Grossindustrie sieht es anders aus: Diese Branche ist überzeugt davon, dass die Zahl der Vegetarier und Flexitarier weiter zunehmen wird. Aus diesem Grund hat sie für diese Zielgruppe ein spezifisches Segment geschaffen: Fleischersatzprodukte.

Diese Produkte, die auf pflanzlichen Proteinen basieren, sehen aus, schmecken und riechen wie die Originale aus Fleisch. Meist heissen sie auch ähnlich und werden auf gleiche Weise zubereitet – bei manchen tritt sogar roter Saft aus, wenn man sie aufschneidet oder gart, so wie bei einem blutigen Steak.

«Diese Produkte decken das Bedürfnis unserer Zielgruppe ab, die zwar gerne Fleisch isst, aber aus ethischen, gesundheitlichen oder umweltfreundlichen Gründen ihren Konsum reduzieren möchte», erklärt Jérôme Bonvin, Verantwortlicher Kulinarische Produkte bei Nestlé Schweiz.

Der multinationale Konzern gehört zu den Agrar- und Lebensmittelriesen, die stark auf diesen boomenden Markt setzen. Das Segment der vegetarischen Mahlzeiten hat im Vergleich zu 2018 um 13 Prozent und im Vergleich zu 2017 um 28 Prozent zugenommen.

Das hat Nestlé Schweiz ermutigt, diesen Herbst die beiden Produkte «Incredible Burger» und «Incredible Hack» zu lancieren. Die beiden veganen Fleischimitate ergänzen das Sortiment der Marke «Garden Gourmet», die Nestlé in den 2000er-Jahren aufgekauft hat und die rund 15 Produkte in der Westschweiz umfasst, wovon sechs auch in der Deutschschweiz angeboten werden.

«Diese Produktkategorie ist in der Schweiz nicht neu», ergänzt Jérôme Bonvin. «Was hingegen neu ist, ist, dass der Markt seit einigen Jahren stark wächst und wir dadurch Produkte wie den Incredible Burger von Garden Gourmet anbieten können, der einem Fleischburger punkto Geschmack, Textur und Aussehen in nichts nachsteht. Das ist möglich, weil wir kontinuierlich forschen und bereits solide Kenntnisse in der Herstellung von Fleischimitaten haben.»

Aktuell bieten nur die Restaurants der Eldora-Gesellschaft die Produkte von Garden Gourmet an. Doch Nestlé ist überzeugt, dass der Incredible Burger und das Incredible Hack für die Gastronomie grosses Potenzial bieten. «Wir sind daran, andere Partnerschaften zu prüfen, zum Beispiel mit Ketten oder kleinen Unternehmen, die wir direkt beliefern können», verrät Jérôme Bonvin.

Burger King und Helvti Diner sind überzeugt

Auch wenn Fleischersatzprodukte in der Schweiz noch einem Nischenmarkt entsprechen, so entscheiden sich trotzdem viele Restaurants, einen fleischlosen Burger auf ihre Karte zu nehmen. Am 12. November hat beispielsweise Burger King eine vegetarische Version seines bekannten Whoppers lanciert, die in 2500 Restaurants in 25 europäischen Ländern angeboten wird – unter anderem auch in der Schweiz.

Die Lancierung gehört zu den grössten in der Geschichte des Unternehmens. Das besagte vegetarische Patty besteht aus Sojaprotein und wird vom niederländischen Unternehmen The Vegetarian Butcher produziert, das kürzlich von Unilever aufgekauft wurde.

Das «falsche Fleisch», das zu 100 Prozent pflanzlich ist, hat auch Migros Vaud auf den Geschmack gebracht: Die Migros- Restaurants im Kanton Waadt haben diesen Monat während einer Woche den Beyond Burger angeboten.

«Es handelte sich dabei um ein Spezialangebot beim Mittagsmenü, das nur kurze Zeit erhältlich war» erklärt John Mizzi, Gastronomie- Verantwortlicher bei Migros Vaud. «Das entsprechende Produkt wird in den USA von der Firma Beyond Meat hergestellt und entspricht dem Zeitgeist. Wir wollten diese Neuheit unseren Gästen vorstellen und ihre Rückmeldungen dazu einholen.»

Noch ist unklar, ob die Migros den Test wiederholen wird und ob der Beyond Burger eines Tages in allen Verkaufsläden zu finden sein wird.

In Zürich hatte sich Helvti Diner ebenfalls für den Beyond Burger entschieden, den sie von Februar bis Mai 2019 in ihren beiden Restaurants auf die Karte nahm. Anschliessend hat sie ihn jedoch mit dem veganen Burger der Londoner Firma Moving Mountains ersetzt.

«Wir waren in der Schweiz die ersten, die den Beyond Burger aufs Menü genommen haben. Der Wunsch, anders zu sein, hat uns letztlich auch dazu bewogen, ihn mit dem Moving-Mountains-Burger auszutauschen», erklärt Christian Kramer, CEO von Helvti Diner.

Gemäss Kramer sei der in Grossbritannien hergestellte Burger geschmacklich der beste auf dem Markt. «Nicht zuletzt aus ökologischen Gründen ist es sinnvoll, ein Produkt aus einem europäischen Land zu verkaufen, das weniger Transportweg benötigt», ergänzt der Gastronom.

«Moving Mountains hat zudem einen veganen Hot Dog kreiert, den wir nun ebenfalls auf unserer Karte anbieten.» Christian Kramer ist mit dem Erfolg des Moving-Mountains-Burgers zufrieden, doch ähnlich wie bei Zoo Burger und McDonald’s sind es auch im Helvti Diner die Rindfleischburger, die sich am besten verkaufen.

Das Nachahmprinzip gefällt nicht allen

Es gibt aber auch Gastronomen, die gar nichts von Fleischersatzprodukten halten. Für den Geschäftsführer von Zoo Burger käme es zum Beispiel nicht infrage, ein Produkt wie den Incredible Burger von Nestlé anzubieten.

«Wir bereiten alle Lebensmittel intern zu und sind mit dem Label «Fait maison» ausgezeichnet. Es entspricht daher nicht unserer Philosophie, einen industriell hergestellten Burger zu verkaufen», erklärt Manot Berger. «Und wir möchten auch gar nicht in Richtung Imitate gehen: Wir glauben nicht, dass unsere Gäste etwas essen möchten, das Fleisch ähnelt.»

Tatsächlich bestehen die vegetarischen Burger des Lausanner Restaurants aus verschiedenen Gemüsepattys, die aus Kidneybohnen, Champignons oder Zucchetti hergestellt werden und bei der Zielgruppe sehr gut ankommen.

«Auch wir sind der Meinung, dass man heutzutage weniger Fleisch essen sollte», ergänzt Manot Berger. «Mit diesem Thema setzen wir uns oft auseinander. Kürzlich haben wir entschieden, kein Pouletfleisch mehr anzubieten, weil es nicht mehr möglich ist, ethische Zuchtbedingungen für die Tiere sicherzustellen. Damit vermeiden wir auch Lebensmittelverschwendung, da für Burgers und Sandwiches in der Regel nur die Hähnchenbrust verwendet werden kann.»

Ob sie schmecken oder nicht, die Fleischersatzprodukte werfen viele Fragen auf. Werden sie, wenn sie einmal im grossen Stil produziert werden, eine nachhaltige Alternative zu Fleisch bieten? Können sie die tierischen Proteine ergänzen oder gar ersetzen, um die 9 bis 10 Milliarden Menschen zu ernähren, die im Jahr 2050 auf der Erde leben werden? Sind sie gut für die Gesundheit, beziehungsweise sind sie nährwerttechnisch genauso interessant wie eine ausgewogene Ernährung mit Fleisch?

Die Experten sind hier geteilter Meinung. «Was die Nachhaltigkeit angeht, so schaden die Fleischersatzprodukte der Umwelt deutlich weniger. Das ist für die neue Generation ein wichtiger Punkt», betont Christian Kramer.

Der CEO von Helvti Diner ist überzeugt, dass es sich um eine langfristige Bewegung handelt: «Es ist keine kurzweilige Mode, die in einigen Jahren wieder vorbei sein wird. Ganz im Gegenteil: Die Fleischersatzprodukte werden sich etablieren, denn wir können schlicht und einfach nicht mehr so viel Fleisch konsumieren wie heute.»

Was die Gesundheitsfrage angeht, so gibt es Vor- und Nachteile. «Die Fleischimitate enthalten eine gewisse Menge Fett, die aber mehr oder weniger dem Anteil im Fleisch entspricht», analysiert der Zürcher Unternehmer. «Dafür enthalten sie aber im Gegensatz zu Fleisch kein Cholesterin.»

Regula Kennel von Proviande ist hier anderer Ansicht: «Diese Produkte sind extrem stark bearbeitet und enthalten Zusatzstoffe. Mit einem unbearbeiteten, regionalen und natürlichen Produkt können sie nicht mithalten.»

«Das ist doch absurd!»

Während die Grossindustrie ein Vermögen in den Ausbau des vegetarischen Sortiments investiert, nimmt ein ganz neuer Markt in den Laboratorien Form an: das In-Vitro-Fleisch. Dieses entsteht auf Basis von Stammzellen oder Muskelfleisch.

Das im Labor kultivierte Fleisch stellt eine echte Alternative zur Massentierhaltung dar, scheint aber punkto Nachhaltigkeit auch nicht einwandfrei zu sein. Ausserdem gilt das synthetische Fleisch derzeit noch als sehr teuer – es kostet ungefähr 1000 Franken pro Kilo – und soll frühestens in drei bis vier Jahren marktreif sein.

Sandrine Doppler arbeitet als Expertin für Ernährungswandel und Innovation. Sie protestiert: «Fleischersatzprodukte sind ein wahres Problem, denn sie zeigen, dass die Konsumenten nicht mehr ganz klar im Kopf sind. Warum wollen sie kein Fleisch mehr essen, aber begehren ein Produkt, das genau gleich aussieht und schmeckt? Das ist doch absurd!»

Für die Expertin für Ernährungswandel und Innovation sind weder die Konsumenten noch die Agrar- und Lebensmittelriesen kohärent. «Lasst uns zu den Wurzeln zurückkehren und mehr für unser Essen ausgeben. Geben wir ihm seinen Wert zurück, dann vermeiden wir auch Lebensmittelverschwendung. »

Caroline Goldschmid / GastroJournal

Incredible Burger Fleischersatzprodukt

Vegetarische Mahlzeiten nehmen im Vergleich zu 2018 um 13 Prozent zu. Deshalb hat Nestlé Schweiz den «Incredible Burger» lanciert. Bild: Nestlé


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