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13.10.2010

Alkoholtestkäufe sind unzulässige verdeckte Ermittlungen

Neue Urteile bestätigen Fragwürdigkeit des Vorgehens

Die praktische Durchführung von Alkoholtestkäufen wird zu einem grossen Teil noch immer auf höchst fragwürdige Weise gehandhabt. So werden die den Beamten zur Hilfe gestellten Jugendlichen oft sehr einseitig ausgewählt. Der Betrieb und die Mitarbeitenden werden nicht eigentlich getestet, sondern viel eher getäuscht.

Im Folgenden geht es um die rechtliche Beurteilung von Alkoholtestkäufen. Dabei ist erfreulich, dass die bisherige Auffassung von GastroSuisse durch neue Urteile aus dem Kanton Uri bestätigt wurde. Mittlerweile kann auf mehrere Gerichtsentscheide verwiesen werden, welche festhalten, dass es sich bei Alkoholtestkäufen um unzulässige verdeckte Ermittlungen gemäss Art. 1 des Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung (BVE) handelt.

Wegweisend war das Urteil vom Kantonsgericht Basel-Landschaft vom 10. Februar 2009, welches sodann auch vor Bundesgericht Bestand hatte. Die neuen Entscheide des Landgerichts Uri vom Juni 2010 kommen zum gleichen Ergebnis: Infolge unzulässiger verdeckter Ermittlung wurden die Angeschuldigten mangels legaler Beweisverwertung freigesprochen und vorgängig verhängte Bussen mussten aufgehoben werden.

Betreffend der allfälligen Abgabe von Alkohol an Jugendliche, ergibt sich die Unzulässigkeit der verdeckten Ermittlung mitunter aus den Voraussetzungen gemäss Art. 4 BVE – nämlich dem Erfordernis von besonders schweren Straftaten. Betrachtet man die Straftaten, welche mit dem BVE verfolgt werden sollen, liegt es auf der Hand, dass es sich bei einer allfälligen Abgabe von Alkohol an Jugendliche nicht um eine besonders schwere Straftat im Sinne des BVE handelt, sondern vergleichsweise um eine Bagatellangelegenheit.

Ein entsprechender Sachverhalt müsste unter den Katalog von Art. 4 Abs. 2 BVE fallen. Aber nicht einmal der (weiter gehende) Art. 136 StGB (Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe an Jugendliche) ist in Art. 4 Abs. 2 BVE aufgeführt.

Zentral ist, dass das BVE in Bezug auf Testkäufe nicht ausser Acht gelassen werden darf. So führt das Bundesgericht in BGE 134 IV 266 unter Erw. 3.2 aus, dass der Zweckartikel, Art. 1 BVE nicht in dem Sinne verstanden werden kann, "dass eine verdeckte Ermittlung nur im Falle des Eindringens in ein kriminelles Umfeld unter den Anwendungsbereich des BVE fällt". Weiter stellt das Bundesgericht eindeutig klar: "Das BVE ist somit auch anwendbar, wenn es an einem 'kriminellen Umfeld' fehlt" (vgl. auch Urteil Kantonsgericht Basel-Landschaft, Erw. 2.2.4).

Professor Daniel Jositsch hat zu Alkoholtestkäufen ein von Behörden oft zitiertes Gutachten für das Blaue Kreuz erstellt, bei welchem es sich offenkundig um ein "Parteigutachten" handelt. Leider zeigt sich immer wieder, dass sich die Behörden oft nur auf die Auffassung von Professor Jositsch stützen sowie lediglich auf sein Gutachten verweisen, hingegen aber keinen einzigen kantonalen Gerichtsentscheid oder zentrale Bundesgerichtsentscheide wie bspw. BGE 134 IV 266 erwähnen.

Dabei hat sich insbesondere der fundierte Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft mit dem Jositsch-Gutachten auseinandergesetzt und kam nach eingehender Prüfung eben zum Schluss, dass es sich bei Testkäufen gerade nicht bloss um Scheinkäufe, sondern um verdeckte Ermittlung handelt.

Im Weiteren sind Testkäufe zudem direkt basierend auf rechtsstaatlichen Gründen abzulehnen. So ist es Aufgabe des Staates, Straftaten zu verfolgen, und gerade nicht, Delikte gezielt durch Provokation zu fördern. Dies umso mehr, wenn es sich dabei nicht einmal um schwerwiegende Delikte handelt und sich die Tatprovokation, wie bei den Alkoholtestkäufen, in der Regel gegen Unverdächtige richtet. Eine Deliktsprovokation des Staates ist demnach nicht nur ein ausnehmender Eingriff in die Willens- und Entscheidungsfreiheit, sondern tangiert auch den Grundsatz eines fairen Verfahrens.

Entscheidend ist letztlich, dass die Frage nach der Zulässigkeit der Testkäufe nicht durch die Antwort auf die Frage der allfälligen Notwendigkeit und der Zweckmässigkeit solcher Massnahmen ersetzt werden kann. Denn damit würde fälschlicherweise von der Notwendigkeit auf die Zulässigkeit geschlossen.

Ergänzend kann festgehalten werden, dass Testkäufe zudem auch deshalb oft gar nicht "greifen" können, weil es bei den Verkaufs- und Servicemitarbeitenden in der Regel schlicht am Vorsatz fehlt, Alkohol an Jugendliche zu verkaufen und zudem sehr häufig nicht einmal Fahrlässigkeit vorliegt.

Bezüglich diesem wichtigen Aspekt hat das Kantonsgericht Basel-Landschaft in seinem wegweisenden Urteil unter Erw. 3.3.4 folgende Alternativbegründung aufgeführt: "Aufgrund der typischerweise gegebenen Umstände, in denen das Verkaufspersonal innert kürzester Zeit einen Entscheid fällen und ihn bei negativem Ausgang gegenüber den Betroffenen vertreten muss, dürfen die Anforderungen an die Sorgfalt des Verkaufspersonal nicht überspannt werden. Es muss zulässig sein, dass eine Verkäuferin sich vom ersten Eindruck leiten lässt und sich nur dann über das Alter einer Käuferin vergewissert, wenn das gesamte Erscheinungsbild darauf schliessen lässt, dass die Käuferin unter oder nur knapp über 16 Jahre alt ist. Dagegen kann von einer Verkäuferin nicht verlangt werden, dass sie eine Person, die 18 Jahre alt zu sein scheint, nach einem Ausweis fragt, bevor sie ihr alkoholische Getränke verkauft, die bereits an 16-Jährige abgegeben werden dürfen."

Dies bedeutet sodann, dass selbst wenn für Testkäufe eine genügende gesetzliche Grundlage gegeben wäre (was vorderhand gemäss der der hier vertreten Auffassung nicht der Fall ist), in jedem Fall beim Verkaufs-Servicemitarbeitenden subjektiv Vorsatz oder Fahrlässigkeit gegeben sein müsste, ansonsten es im Mindesten zu keiner Busse kommen darf.

Abschliessend kann bei einem "hängen bleiben" in einem Testkauf folgendes empfohlen werden: In jedem Fall sollte Beschwerde geführt werden. Rügegründe sind, dass Testkäufe gar nicht durchgeführt werden dürften und – sollte die Durchführung entgegen der Auffassung verschiedener Gerichte für korrekt befunden werden – das Hinweisen auf fehlendes Verschulden, da kein Anlass bestand, jemanden, der aussehensmässig die Alterskriterien offensichtlich erfüllt, zu kontrollieren.

Quelle: Rechtsdienst GastroSuisse


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