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04.11.2011

Wie der Handel in der digitalen Epoche aufersteht

Bodenständige Werte gewinnen wieder an Bedeutung

Die Handelswelt steht vor dem grössten Paradigmenwechsel seit der Erfindung des Kaufhauses. Die rasanten Entwicklungen in Technologie und Gesellschaft führen zu grundlegend neuen Kunden-Händler-Beziehungen: Off- und Online-Präsenzen verschmelzen, gleichzeitig gewinnen bodenständige Werte wie Authentizität und Regionalität an Bedeutung. Das ruft nach Veränderung – bloss wie?

Im "Trendradar 1.11" erklärt das GDI Gottlieb Duttweiler Institute unter dem Stichwort "Re-Generation" den Trend zur Erneuerung von Geschäftsmodellen, Marken und Produkten, der alle Handelsbereiche erfasst.

Kaum erscheint heute ein Produkt, ist es reif fürs Museum – beinahe, zumindest. Weil sich die Technologien so schnell entwickeln, werden die Produktezyklen immer kürzer. Das zwingt den Handel auf neue Wege: Reichte im Internet noch vor kurzem eine eigene Website, fällt die Grenze zwischen Off- und Onlinepräsenz nun gänzlich. Das überfordert manchen Händler, derweil die Kunden gut informiert sind, mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren und gar am Produktionsprozess teilnehmen wollen.

Nach zu vielen Firmenpleiten, Lebensmittelskandalen und Marketing-Lügen müssen sich Unternehmerinnen und Händler als Dienstleister für einen neuen Jahrgang von Konsumenten fit machen. Nur wer den Mut hat zur Re-Generation, kann geschrumpfte Märkte zurückerobern, kann langfristig bestehen. Übrigens: Verschont wird niemand. Im Gegenteil: "The slower you move, the faster you die."

Hier sind die wichtigsten Bedingungen erfolgreicher Re-Generation anhand von Beispielen aus der Handelswelt.

Traditionsmarken: Ein Blick zurück, einer nach vorn

Für Marken ist Re-Generation keine Option. Sie ist ein Must. Wo nicht regelmässig poliert wird, lässt der Staub der Gewohnheit den Glanz einer Marke verblassen. Das kann selbst ruhmreichen Schweizer Traditions-Brands wie Swissair, Bally oder Calida drohen. Und serbelt eine Marke erst mal, dann wird sie oft ins Ausland verkauft – oder gar zu Tode saniert. Dabei haben Marken, die beweisen, dass auch Tradition innovativ sein kann, mehr Potenzial denn je.

Das hat ein Teil der Uhrenindustrie verstanden. Die New Gent Collection von Swatch etwa ist als moderne Neuauflage der klassischen Gent Original derzeit ein Renner. Nicht nur ihr Design erinnert an die ersten Uhren der Kindheit, auch der Preis lässt nostalgisch werden: Sie kostet gleich viel wie damals die Gent Original.

E-Wallet: Das Ende des Portemonnaies

Die Zukunft des Bezahlens ist nicht nur bargeldlos, sondern auch mobil. Bereits gilt das Smartphone daher als das Portemonnaie von morgen. Zwar ist der klassische Geldbeutel weit mehr als nur ein Beutel fürs Geld. Neben Münzen und Noten stecken da Kredit- und Kundenkarten, Rabattcoupons, Gutscheine und allerlei Persönliches wie Fotos und Adressen drin. Doch schon heute gibt es Applikationen, welche einzelne dieser Funktionen erfüllen: Rabattmarken können als digitale Coupons auf dem Bildschirm eines Smartphones dargestellt und an der Kasse eingescannt werden, in der Schweiz beispielsweise bei samy4me.

Auch das Bezahlen ist möglich, und selbst Kundenkartencodes stellen kein Problem dar. Darum ist klar, das E-Wallet kommt. Und egal ob Google Wallet, eine Paypal-Lösung oder ein anderer Anbieter das Rennen macht: Händler von klassischen Bezahllösungen müssen sich schon heute mit der Re-Generation ihrer Dienstleistung befassen.

Musikindustrie: User-generierter Indierock

Wie sich ein sterbendes Geschäftsmodell anfühlt, weiss kaum jemand so gut wie die Musikindustrie. Seit Jahren kennen die Absatzzahlen nur noch eine Richtung: südwärts. Verschiedene Musiker haben reagiert und tüfteln an neuen Wegen in die Brieftasche der Hörer.

So stellte die britische Band Kaiser Chiefs unlängst 20 neue Songs auf ihre Website, von denen Fans zehn auswählen und zu einem selber gestalteten Album zusammenstellen können – 7.50£ kostet der Download. Doch nicht nur das: Die Rockgruppe erlaubt ihren Fans, "ihr" Album zu verkaufen und beteiligt sie mit 1£ an jedem Download. So entsteht ein Geschäftsmodell, bei dem die Rollen neu verteilt werden und das Format Album neu definiert wird – mit dem angenehmen Nebeneffekt erhöhter Publizität.

Glaubwürdigkeit: Die Wahrheit verkauft sich am besten

Re-Generation ist selbst bei Marken möglich, die nicht primär für "Transparenz" oder "Nähe" zu stehen scheinen. Das hat McDonald's-Europa-CEO Denis Hennequin bewiesen, der mit bemerkenswerter Ehrlichkeit festhielt, seine Marke werde wohl nie mit gesundem Essen assoziiert werden. Stattdessen setzte Hennequin daher auf Ambiente und Regionalisierung.

Die McCafé-Filialen haben das Image des US-Schnellimbiss' zur europäischen Kaffeelounge umgedeutet. Die lokalen Diversifizierungen des Angebots (Burger mit regionalem Käse aus biologischer Produktion) nehmen die Kundschaft in ihrer Heterogenität auf eine zeitgemässe Weise ernst. Dies führte zur kleinen Sensation, dass die McDonald's-Filialen in Frankreich, dem selbsternannten Gourmet-Leader Europas, zu den erfolgreichsten auf dem Kontinent wurden. Re-Generation bedingt Glaubwürdigkeit.

Gastronomie: Alle an einen Tisch

Der Gastronomie-Kultur schienen schwere Zeiten bevorzustehen: Das "Menu 1" des Restaurants um die Ecke wurde vom Mittags-Sandwich im Büro verdrängt, und Social Networking hatte sich vom gemeinsamen Feierabendbierchen zum einsamen Facebook-Chat gewandelt. Allmählich aber schaffen auch die Wirte eine Re-Generation ihrer Betriebe.

Das steigende Bedürfnis nach Geselligkeit findet immer vielfältigere Ausprägungen und unter dem Stichwort "Convivialité" aufersteht in London, New York oder Mailand eine neue alte Esskultur. "The Sit Down Affair" etwa ist eine britische Event-Serie kulinarischer Themenabende, die an ausgefallenen Orten wie Museen oder Kinos stattfindet. An langen Tischen treffen unbekannte Gäste zum Essen zusammen.

Und in New York sind neuerdings nicht mehr die sogenannten Speakeasys (kleine, elitäre
Geheimbars mit wenigen Gästen) hip, sondern grosse Biergärten, in denen man demokratisch nebeneinander auf langen Bänken sitzt.

Kundeneinbindung: Mut zum Kontrollverlust

Mitmachen schafft Vertrauen. Wer die verunsicherte Kundschaft bei der Re-Generation von Produkten oder Designs mitdenken lässt, hats besser. Dell oder Migros zeigen mit Idea Storm respektive Migipedia, wie das Kundengespräch im frühen 21. Jahrhundert aussehen kann.

Nur, wer den Dialog startet, muss ihn auch konsequent zu Ende führen. Das musste Henkel schmerzhalft lernen: Beim Designwettbewerb für die Verpackung des Spülmittels Pril auf Facebook enthielt das Siegerdesign überraschenderweise nicht Blumen, Schmetterlinge und einen "duftet nach Frühling"-Slogan. Es gewann eine in braun gehaltene Gestaltung mit von Kinderhand gekritzeltem Poulet und dem Slogan "duftet lecker nach Hähnchen!". Pril wollte das Design nicht produzieren, die Facebook-Community war darüber verärgert – und der Marketing-Gewinn dahin. Kundeneinbindung muss ernst gemeint sein.

Ernährung: Dem Gemüse beim Wachsen zusehen

Ehec war nur die – einstweilen – letzte Episode. Schon seit längerem schüren Produktionsprozesse, die sich nicht nachvollziehen lassen, die Skepsis vieler Kunden und Kundinnen gegenüber der Nahrungsmittelbranche. Ihr Vertrauen ist am Boden und macht einem rasch wachsenden Bedürfnis nach Transparenz und Authentizität Platz.

Konsumenten wünschen sich eine Re-Generation des Produktionszyklus von Nahrungsmitteln: mehr Überschaubarkeit, Kontrolle, Nähe. Die Wartelisten für Schrebergärten in Zürich werden daher immer länger, Abonnemente für Biogemüse von Bauern aus der Region boomen in den USA ebenso wie in der Schweiz, desgleichen community-supported und urban farming. Re-Generation bezeichnet hier ein Modell einer transparenten Wertschöpfungskette, bei der Kunden die Produktion von Gemüse von der Saat bis zur Verpackung verfolgen zu können.

Jugend: Kleine, erfüllbare Träume

Nicht nur Geschäftsmodelle, sondern auch die Jugend erlebt eine Re-Generation. Gingen Adoleszente in den vergangenen Jahrzehnten regelmässig für die ganz grosse Weltveränderung auf die Strasse, so scheinen die Jungen von heute aus den Misserfolgen der Eltern ihre Konsequenzen gezogen zu haben.

Resultate einer GDI-Studie zeigen, dass Jugendliche Verantwortung vor allem im Kleinen übernehmen wollen. Zwar sind sie sehr wohl sensibilisiert für soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit, doch setzen sie weniger auf Ideologien, sondern nehmen kleine, realisierbare Ideen ins Visier. Das Internet unterstützt sie dabei mit einer wachsenden Zahl von Microfinancing-Plattformen. Flattr oder Kickstarter etwa erlauben es, Projekte sehr unkompliziert kleine Geldbeträge zu schenken – und damit die Welt im Kleinen zu re-generieren.


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