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21.08.2015
"Perspektiven zu bieten, das ist unsere Aufgabe"
Cateringunternehmer Mustafa Atici kandidiert für den Nationalrat
Vor 23 Jahren kam Mustafa Atici als junger Student aus der Türkei nach Basel – und blieb. Seit 2004 sitzt er im Grossen Rat und ist dort Mitglied der Finanzkommission. Zu seinen Kernthemen gehören die Integration, die Bildungspolitik und die KMU-Wirtschaft. Im Herbst kandidiert Atici auf der SP-Liste für den Nationalrat. Bei der letzten Wahl schaffte er es auf die Position des ersten Nachrückenden.
Sie wollen in den Nationalrat. Sagen Sie unseren Lesern zuerst, weshalb sie Ihnen ihre Stimme geben sollen!
Ich beobachte, dass es auf der nationalen politischen Ebene wenige Politikerinnen und Politiker gibt, die sich aus eigener Erfahrung für kleine und mittlere Unternehmen einsetzen können. Zudem ist es doch so, dass auch wenn über die Interessen und Bedürfnisse von KMU gesprochen wird, vor allem die Vertreter der grossen Unternehmungen zu Wort kommen und Gehör finden. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass in diesen Diskussionen die Ideologie der Parteien den Kurs bestimmt.
Die SP ist für mehr Umverteilung, Verbote und Bürokratie. Was bringt einen Unternehmer wie Sie in diese Partei?
Die SP gefällt mir wegen ihrer Grundwerte. Sie steht für Offenheit, Toleranz und Solidarität. In meiner Partei kommen – wie bei allen anderen Parteien auch – die Interessen der KMU-Wirtschaft manchmal tatsächlich zu kurz, doch habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mir mit guten Argumenten durchaus Gehör verschaffen kann. Ich denke nicht, dass die SP mehr Verbote oder Bürokratie will als andere Parteien. Eine gesunde Wirtschaftspolitik kann nur auf dem Boden von Fairness funktionieren. Konkret heisst das: faire Löhne und Arbeitsbedingungen, attraktive und familienfreundliche Teilzeitmodelle, gleiche Startchancen, nachhaltige Produkte.
Sie beschäftigen sich stark mit Integrationsthemen. Warum?
Ich kam selber als Immigrant hierher und habe mit der Integration unterschiedliche, für mich letztlich vorwiegend positive Erfahrungen gemacht. Doch zu Beginn war es nicht einfach. Wirklich integriert fühlte ich mich erst, nachdem ich die deutsche Sprache erlernt hatte. Die Sprache ist der Schlüssel! Für mich stellt sich nicht so sehr die Frage nach meiner persönlichen Integration, sondern was ich auf der politischen Ebene zur Integration anderer beitragen kann.
Welche Rezepte empfehlen Sie?
Ich bin ein Anhänger der kantonalen Vorgabe "fordern und fördern". Für mich steht fest, dass wir nur gemeinsam die Zukunft positiv beeinflussen werden. Entscheidend ist, dass wir nicht wegschauen und uns dafür einsetzen, allen Jugendlichen in diesem Land gute Bildungsmöglichkeiten zu bieten. Perspektiven zu bieten, das ist unsere Hauptaufgabe!
Viele Secondos haben mangelhafte Sprachkenntnisse, weil zuhause die Unterstützung fehlt. Hier kann und muss das Schulsystem eingreifen. Es braucht Spielgruppen mit Sprachförderung. So gehen uns die Lehrlinge nicht aus und junge Menschen werden im Berufsleben erfolgreich sein. Dann, und davon bin ich überzeugt, werden sich vieler der sogenannten Integrationsprobleme von alleine lösen.
Anerkennen Sie, dass es echte Integrationsprobleme gibt?
Es bringt nichts, die Dinge schönzureden. Ich plädiere aber dafür, die Aspekte Asyl und Kriminalität separat zu thematisieren. Die Schweiz ist für ihre weitere Entwicklung auf den positiven Beitrag von Migrantinnen und Migranten angewiesen. Ihre Kinder sind ein Teil der Zukunft unserer Gesellschaft.
Weshalb engagieren Sie sich in der Bildungspolitik?
Es gehört zu den Aufgaben eines Staates und seiner Gremien, sich dafür einzusetzen, dass alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Chancen auf Bildung und Weiterbildung haben. Sobald die Chancengleichheit gewährleistet ist, zählt aber die Leistung. Nach dem Vorbild anderer Länder sollte die Schweiz einen "Bildungsplan" für den Frühbereich bekommen.
Immer wieder beklagen sich Berufsbildner, dass es Schulabgängern an grundlegenden Kenntnissen fehlt. Versagt unser Schulsystem?
Gemäss der Forschungsstelle für Bildungsökonomie der Uni Bern schicken 63% der Eltern ihre Kinder in die Nachhilfe. Es sind vor allem Kinder aus begüterten Familien, die eine besondere Förderung erhalten. Offenbar ist der Schulerfolg vom Geldbeutel abhängig. Das bedroht die Chancengleichheit. Tagesschulen wären hier eine Lösung. Zudem müssen wir den individuellen Lernbedürfnissen noch mehr gerecht werden; zum Beispiel mit einem Förderprogramm für KMU, die Lehrplätze anbieten.
Für unsere Jugendlichen brauchen wir Lehrplätze, und wenn sich ein Teil dieser Jugendlichen später selbständig macht, trägt das zur Dynamik und Kreativität unserer Wirtschaft und unseres Werkplatzes bei.
Verstehen Sie, dass eine Mehrheit der Schweizer Stimmbürger die Zuwanderung wieder selber steuern möchte?
Ich verstehe einige der Befindlichkeiten, die zu diesem Entscheid führten, aber nicht den Entscheid selbst. Es gibt natürlich Missbrauch und die Integration bleibt eine Herausforderung. Diese Aufgaben müssen wir konstruktiv lösen – mit Sozialpartnerschaft und fairem Wettbewerb. Die Zuwanderung und die offenen Grenzen zur EU haben Basel und die Schweiz erfolgreich gemacht.
Falls Sie in den Nationalrat gewählt werden: Was werden Sie in Bern bewirken?
Ganz generell werde ich in der SP-Fraktion meine Erfahrungen als Unternehmer einbringen. Mehr Bodenhaftung und Praxisnähe tut auch uns gut. Ich verstehe mich als Vertreter der kleinen Unternehmen und der vielen Migranten in diesem Land. Wirtschaft, Bildung und Migration können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Deshalb sind Lösungen, die nur in einem Bereich greifen, eigentlich keine Lösungen.
In Bezug auf die Interessen der Gastronomiebranche werde ich mich für ein wirksameres Kartellgesetz und gegen Handelshemmnisse einsetzen. Die Probleme von kleinen Gewerbetreibenden unterscheiden sich nicht so sehr von denjenigen vieler Angestellter. Sie benötigen soziale Sicherheit, administrative Erleichterungen sowie eine kontinuierliche Berufs- und Weiterbildung. Gerade hier müssen die Bereiche Wirtschaft, Bildung und Migration zusammen arbeiten.
Zur Person
Mustafa Atici ist 1969 in der Türkei geboren. Der alevitische Kurde stammt aus einer elfköpfigen Familie. Alle seine Geschwister leben im Ausland. Atici ist verheiratet und hat zwei Kinder. In seiner Freizeit liest er bevorzugt Literatur von alten Philosophen und hört klassische Musik und Folklore.
Atici belegte an der Universität in Ankara den Studiengang Industrieingenieur. Als 23-jähriger Student reiste er in die Schweiz, immatrikulierte sich an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Basel und wechselte nach drei Jahren für ein zweijähriges Nachdiplomstudium "Master of Advanced European Studies" ans Europa-Institut.
Geschäftlich ist Atici als selbständiger Berater und Unternehmer, zusammen mit seinen Brüdern, im Bereich Lebensmittel und Catering tätig, unter anderem im Fussballstadion St. Jakob-Park in Basel.
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Dossiers: Ausländerrecht | Berufsbildung | Nachhaltigkeit
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