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02.09.2015
Offene Märkte helfen den Bauern
Fadenscheiniges Argument "Ernährungssicherheit"
Die Schweiz schützt ihre Landwirtschaft mit einem komplizierten System aus Zöllen, Kontingenten und Handelshemmnissen. Zwar weichen die Konsumenten den hohen Preisen zunehmend aus, doch reicht das nicht aus, das Bollwerk zu schleifen. Eine Fokussierung auf die einheimische Produktion unter dem süffigen Titel "Ernährungssicherheit" ist der falsche Weg. Es braucht eine Schocktherapie, um die verkrusteten Strukturen aufzubrechen.
Die heimische Agrarwirtschaft wird weitgehend vor internationalem Wettbewerb geschützt. Doch dieser Schutz und Direktzahlungen von fast drei Milliarden Franken pro Jahr genügen den Bauern nicht. Mit ihrer im Juli 2014 eingereichten Volksinitiative "für Ernährungssicherheit" wollen sie die Abwehrmauer gegen mehr Freihandel stärken. Dabei ist es sehr fraglich, ob Abschottung die Versorgungssicherheit wirklich verbessert. Schon eher ist anzunehmen, dass offenere Grenzen das tun würden.
Der schwammige Begriff "Ernährungssicherheit" ist nur vorgeschoben. Faktisch geht es um Einkommenssicherung für die Bauern! Anstatt sich abzuschotten, sollten die Schweizer Produzenten lieber konkurrenzfähiger werden. Offene Märkte führen nicht nur zu mehr Freiheit für die Konsumenten, sondern auch für die Anbieter. Doch die Bauern und ihre Vertreter predigen den freien Markt nur dann, wenn es ihnen passt.
Wer sich abschottet, wird langfristig auf der Verliererseite stehen. Leider hat die Bauern-Lobby Bundesbern fest im Griff. Öffnungsschritte scheinen in weite Ferne gerückt, obwohl die Beispiele Wein und Käse zeigen, dass in der Liberalisierung Chancen stecken: Qualität und Vielfalt der Produkte nehmen zu, und trotz überstarkem Franken halten sich die heimischen Spezialitäten gegen billige Importware.
Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung kauft nicht aus Geiz im benachbarten Ausland ein, sondern um ihr knappes Budget zu schonen oder sich etwas Besseres zu leisten. Die einheimischen Bauern ignorieren, dass die zunehmenden Einkäufe im Ausland auch für sie zu Marktanteilsverlusten führen.
Die Stimmen, die eine weitere Öffnung der Agrarmärkte fordern, sind noch zu leise. Sollte sich die Wirtschaftskrise akzentuieren, werden sich nicht nur Konsumenten und Steuerzahler, sondern vor allem der Handel, das Gastgewerbe, die Tourismusbranche und die Exportindustrie stärker als bisher gegen die offenen und versteckten Lasten der protektionistischen Landwirtschaftspolitik wehren.
Der grösste Liberalisierungsdruck wird vermutlich von aussen kommen. Gehen die EU und die USA ihre geplante Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) ein und klammern dabei die Landwirtschaft nicht aus, so lässt sich das Abschottungssystem kaum halten. Auch Handelsabkommen, an denen die Schweiz nicht beteiligt ist, haben nämlich Auswirkungen auf unser Land. So hat beispielsweise das bereits bestehende Abkommen zwischen der EU und Kanada dazu geführt, das Schweizer Käse für kanadische Kunden uninteressant wurde.
Internationale Organisationen wie die WTO werden immer weniger bereit sein, unsere Handelshemmnisse für Agrarprodukte hinzunehmen. Für Staaten, mit denen die Schweiz Freihandelsabkommen abschliessen möchte, gilt das erst recht. Die USA oder südamerikanische Länder sind nicht bereit, ihre Zölle für Investitionsgüter aus der Schweiz zu senken, wenn wir ihnen im Gegenzug nicht Absatzchancen für landwirtschaftliche Produkte bieten.
Landwirtschaft in der Schweiz kann international konkurrenzfähig betrieben werden. Dafür muss sich der Sektor aber für die Zukunft rüsten! Die Nutzfläche insgesamt bliebe bei einer schrittweisen Liberalisierung wohl unverändert. Hingegen würden sich die Art der Landwirtschaft, die Grösse der Betriebe, die angebauten Kulturen und die Bewirtschaftungsweise verändern.
Mit Direktzahlungen und überhöhten Preisen erhält der Bund Bauernbetriebe, die nicht mehr konkurrenzfähig sind. Es gibt kaum einen Bereich, wo so wenige Leute so viel Geld erhalten – und zwar auch dann, wenn sie nur Hobbybauern sind, die das Land besetzen, das jene gebrauchen könnten, die voll auf die Landwirtschaft setzen.
Ohne Direktzahlungen wird es nicht gehen, doch sollten sich diese auf die Abgeltung von Dienstleistungen für öffentliche Güter beschränken. Verbleibende Betriebe, die es nicht schaffen, international konkurrenzfähig produzieren, werden ihre Daseinsberechtigung aus ökologischen Leistungen und der Landschaftspflege beziehen, die für den Tourismus oder den Siedlungsschutz wichtig sind.
Wobei man sich durchaus fragen kann, ob Umweltschutzziele sich nicht wenigstens teilweise durch Ausschreibungen verwirklichen lassen. Dann könnten auch Nichtbauern Offerten einreichen und die besten Angebote kämen zum Zug, so wie dies im Rahmen des öffentlichen Submissionswesens schon lange üblich ist, zum Beispiel beim Bau von Strassen.
Um Anreize für eine schnellere Strukturanpassung zu geben, braucht es Ausstiegsprämien. Zwar findet ein Strukturwandel bereits statt, doch ist er noch viel zu langsam. Pro Jahr werden zwei Prozent der Bauernbetriebe aufgegeben. Eine doppelt so hohe Rate liesse sich weitgehend über Betriebsaufgaben nach der Pensionierung und ohne Konkurse abwickeln. Das wäre sozialpolitisch verträglich.
Wirtschaftliche Abschottung mindert unser aller Wohlstand. Mehr Wettbewerb ist für einzelne Unternehmen zwar unangenehm, macht diese aber fit. Die Bauern müssen endlich aus dem Korsett der Agrarbürokratie und Planwirtschaft befreit werden. Der übertriebene Schutz einer volkswirtschaftlich unbedeutenden Branche ist auf Dauer nicht haltbar!
- Wettbewerbspreise – oder Subventionen!
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Dossiers: Agrarpolitik | Hochpreisinsel
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