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27.09.2015

Wirtschaftsfaktor statt Folklore

Richard Kämpf über Strukturwandel und Rahmenbedingungen

Veränderung heisst der rote Faden, der sich durch das Gespräch mit Richard Kämpf zieht. Doch wie und was verändern und mit welchen Massnahmen? Eine Antwortsuche.

Richard Kämpf hat an der Universität Bern Volkswirtschaft studiert und war mehr als zehn Jahre lang beim BAK Basel tätig. Seit Mitte 2008 ist Richard Kämpf Leiter Tourismuspolitik im Staatssekretariat für Wirtschaft SECO.

GastroJournal: "Jetzt leiden wir alle darunter, dass dieses Tourismus-Produkt möglicherweise in Zukunft nicht mehr gefragt ist", äusserte SGH-Präsident Thomas Bieger. Wie geht es mit dem Schweizer Tourismus weiter?

Richard Kämpf: Momentan spielt sich ein epochaler Wandel ab. Stammmärkte brechen weg und werden teilweise kompensiert mit neuen, die sich aber sehr stark auf ausgewählte Routen und Standorte konzentrieren. Das führt zwangsläufig dazu, dass wir eine stärker auseinanderdriftende Entwicklung haben als früher. Dem müssen wir uns langfristig stellen und uns fragen, mit welcher Struktur die Schweiz eine touristische Zukunft hat.

Die da wäre?

Es wird sicher eine andere Struktur sein als jene, die wir heute haben. Und es wird allenfalls zunehmend Regionen geben, die sich Richtung Freizeittourismus umorientieren müssen - besonders im Sommer. Denn für die klassischen Sommergäste aus den Nahmärkten sind wir einfach zu teuer und austauschbar geworden. Zudem entspricht der klassische Wochen-Übernachtungstourismus, wie wir ihn im Sommer anbieten, international weniger als früher einem Marktbedürfnis.

Das ist überspitzt gesagt der Todesstoss für diverse Beherbergungsbetriebe. Gibt es hier keine Lösungsansätze?

Ich habe das Patentrezept für die Beherbergung auch nicht. Zudem finde ich, dass es nicht gut wäre, wenn der Staat dieses hätte. Die Beherbergung selbst ist hier gefordert.

Aber nicht allein, denn am Ende kann ein Wandel nur geschehen, wenn die Destination auch mitspielt.

Das ist klar. Man muss deshalb heute noch viel stärker als bis anhin Schaufenster-Produkte entwickeln, die eine Destination eindeutig identifizieren. Nehmen wir Lenzerheide als Biker-Destination. Dort hat man bewusst in diese Strukturen investiert, und der Hotelier kann mit einfachen Mitteln ebenfalls mitspielen, indem er sich mit speziellen Angeboten auf Biker-Gäste fokussiert. Aber wenn er einen solchen Service nun ohne die passende Infrastruktur anbieten würde, dann nützt das freilich wenig.

Grundsätzlich ist hier aber anzufügen, dass es eine Illusion ist zu glauben, man könne ¬unglaublich viele neue Sommer-Attraktionen im Alpenraum schaffen. Das gelingt vielleicht punktuell. Im Regelfall wird es aber in allen Destinationen darum gehen, das Bestehende neu zu bündeln, zu fokussieren und zu positionieren.

Ist das zu schaffen?

Ich bin zuversichtlich. Aber am Ende bleibt immer die Frage: Glaubt man an den Tourismus als Wirtschaftsfaktor oder nicht? Sobald man Tourismus nur noch als Folklore betreibt, wird es schwierig.

Eine Stossrichtung des tourismuspolitischen Impulsprogrammes 2016-2019 geht in Richtung Kooperationen.

Eine uralte Forderung, die langsam an Bedeutung gewonnen hat.

Aber im Markt noch nicht wirklich als Lösungsansatz gesehen wird. Weshalb?

Man darf nicht vergessen, dass Hoteliers bei einer Kooperation, die am Ende wirklich signifikante Gewinne bringt, massiv an Autonomie einbüssen. Alles andere ist Illusion.

Erstaunlich. Obwohl man das weiss, hält man weiterhin an diesem Ansatz fest?

Ich glaube, am Ende ist dieser Ansatz richtig, aber vielleicht braucht es einfach eine breitere Definition von Kooperation. Was ich mir vorstellen könnte, ist, dass man nicht einfach im Sinne kooperiert von "jetzt machen wir alles zusammen", sondern wir investieren gemeinsam. Sprich, wir gründen eine separate dritte Aktiengesellschaft, die für uns die gemeinsame Wellness-Anlage und das Marketing betreibt. Eine solche dritte Einheit kann auch bei Bedarf wieder aufgelöst werden.

Und dann gibt es natürlich noch die Kooperation zwischen den Beherbergern und Infrastrukturdienstleistern. Das Paradebeispiel ist hier Saas-Fee. Hier hat die Kombination zwischen den Jugendherbergen und einem defizitären Infrastrukturanbieter etwas Positives hervorgebracht. Solche Synergien sind anzustreben.

Massnahmen zur Modernisierung sind ebenfalls Bestandteil des Impulsprogrammes. Was sind hier die Möglichkeiten für die Beherberger?

Wir haben hier drei Instrumente: die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH), die Neue Regionalpolitik (NRP) und Innotour.

Von denen zwar die meisten Betriebe Kenntnis haben, aber die wenigsten sie nutzen. Müsste hier nicht mehr Aufklärungsarbeit betrieben werden?

Wir machen relativ viel. Die Gründe, weshalb diese Instrumente von Einzelbetrieben nicht stärker genutzt werden, liegen bei Innotour und der NRP wohl primär bei deren überbetrieblichen Ausrichtung. Ein Einzelbetrieb kann allein nicht sagen: "Ich gehe jetzt zum Bund und hole mir meine Finanzierung".

Die SGH wiederum ist eine eigene Welt, sie kann nicht allein finanzieren, sondern immer in Ergänzung zu privaten Bankfinanzierungen. Gerade die SGH konnte in der jüngeren Vergangenheit ihre Fördertätigkeit aber kontinuierlich ausbauen.

Der Tourismus, die Beherbergung ist zurzeit auch wegen der hohen Einkaufspreise gefordert. Hochpreisinsel Schweiz, was können wir dagegen tun?

Dass wir einen grundlegenden Wettbewerbsnachteil haben, ist völlig klar. Mit viel höheren Produktionskosten und mit einem Produkt zu operieren, das zum Teil doppelt so teuer ist als das von der Konkurrenz, ist sehr unvorteilhaft. Aber meiner Meinung nach mittel- und langfristig nicht entscheidend für den Schweizer Tourismus.

Ich würde mir lieber eine längerfristige Vision wünschen als eine Vision, in der es einzig darum geht, die Kostenrahmenbedingungen in der Landwirtschaft und in anderen Feldern zu verändern. Ich sage nicht, dass es nicht sinnvoll wäre, Kosten zu senken, aber ich glaube einfach nicht, dass sich innert einer überschaubaren Zeit die Verhältnisse grundsätzlich ändern werden.

Zusehen? Nichts tun?

Was dem Tourismus bleibt, ist die Wahl zwischen vorwärts oder hinein in eine Heimatschutzbranche, eine Art zweite Landwirtschaft, mit mehr staatlicher Unterstützung. Aber das ist nicht die Lösung. Denn wenn man die Landwirtschaft hernimmt, dann ist das einfach ein verzögerter Abbau. Obwohl wir jedes Jahr Milliarden dafür ausgeben, haben wir jährlich 1000 Betriebe weniger. Also ein verzögerter Strukturwandel. Das kann kurzfristig eine soziale und sinnvolle Lösung sein, aber langfristig tut man der Branche nichts Gutes.

Ihr Wunschszenario für die Zukunft?

Ich hoffe, dass wir uns in Europa neu aufstellen und Produkte haben, die wettbewerbsfähig sind sowie gezielt wertschöpfungsintensiv mit einer klaren Positionierung. Da bin ich zuversichtlich, dass das die Schweizer schaffen. Das andere ist, dass wir den Boom aus den Fernmärkten zum Gewinn aller einsetzen können. Gerade hier darf kein rein quantitatives Wachstum im Vordergrund stehen, sondern Wertschöpfung.

Christine Bachmann / GastroJournal


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