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21.04.2017

Höchste Zeit aufzuwachen

Internationaler Report zum Schnee- und Bergtourismus

Vanats Wintersportbericht stellt der Branche kein gutes Zeugnis aus.

Bereits zum 9. Mal hat der Genfer Laurent Vanat dieser Tage seinen einzigartigen Bericht zur Lage der Wintersportbranche weltweit veröffentlicht – und immer noch steht die gut 200 Seiten umfassende Analyse gratis im Netz bereit.

Mit Blick auf den vorangegangenen, aus Schweizer Sicht schlechten Winter bilanziert Vanat «in den meisten reifen Märkten weniger erfreuliche Zahlen als im vorherigen Winter». Angesichts der abgelaufenen, miserablen Wintersaison muss Vanats Fazit aus Schweizer Sicht besonders zu denken geben: «An vielen Orten ist es höchste Zeit aufzuwachen, Konsequenzen zu ziehen und unter Umständen auf einer ganz anderen Ebene zu handeln als bisher.»

Alle westlichen Märkte hätten inzwischen «den Punkt erreicht, wo sie ernsthaft realisieren, dass die Besucherzahlen trotz steigender Bevölkerung sinken». Zwar unternehme man einiges, um die Stagnation und den Niedergang aufzuhalten, meint Vanat hinsichtlich der traditionellen Wintersportgebiete. Aber die Massnahmen seien «immer noch ungenügend, um die Erosion des Interesses und der Kundenbasis in den westlichen Resorts zu stoppen».

Die gute Nachricht ist laut Vanat allenfalls, dass es «viel Platz gibt für Verbesserungen und Visionen in den Winter-Resorts» – und dass die Entwicklungen, namentlich in China, «eine Quelle für Ideen und Inspirationen sein können». China, das 2022 in Peking zu Olympischen Winterspiele laden wird, hat bereits jetzt über 10 Millionen Wintersporttreibende. Die Schweiz steht noch bei knapp 3 Millionen, und mehr Menschen auf die Pisten als China schaffen zurzeit nur noch Japan (11.5 Millionen), Deutschland (14.6 Millionen) und die USA (25 Millionen).

China wird allerdings in Kürze auch hier die Spitze übernehmen: Dass dieses Riesenreich von seinen gut 1.3 Milliarden Menschen gegen 300 Millionen für den Wintersport begeistern will, hält Vanat zwar für vermessen. Aber es sei «wahrscheinlich, dass es in China bis 2022 über 1000 Skigebiete mit 40 Millionen Ersteintritten geben wird». Allein 2016 sind in China, das zu 40 Prozent auf über 2000 Metern Höhe liegt, 78 neue Winter-Resorts entstanden, womit das Land inzwischen 646 Pistengebiete zählt – die Schweiz bilanziert 193 Gebiete und rund 23 Millionen Ersteintritte.

In der Schweiz, laut Vanat auch eine Wiege des Wintersports, sieht es ganz anders aus: Seit zehn Jahren sinken die Ersteintritte stetig, und seit dem Frankenschock sieht Vanat einen «starken Niedergang». Dennoch seien vorderhand «keine bemerkenswerten Massnahmen getroffen worden», beklagt Vanat.

Die Schlussfolgerungen für die Schweiz liegen eigentlich auf der Hand: Man mag die Pistenangebote für die nahen Märkte verbilligen, wie es Wintersportgebiete mit quersubventionierenden Ausflugszielen von Weltklasse- oder Destinationen im Rahmen von Ferienpackages tun – seit Saas-Fee manche mit dem Rücken zur Wand. Um aber die unverzichtbaren Bergbahnerträge von mindestens 25 Prozent des Umsatzes vor Steuern, Zinsen und Amortisation nachhaltig zu schaffen, reicht das nimmer.

Das heisst an der Wiege des Wintersports einerseits Exklusives für Fernmärkte. Das bedeutet nicht halsbrecherische Bretter, sondern kann harmloses Rutschen und Posieren sein – halt innovativ in Wert setzen, wie es Vanat fordert. Andererseits werden die Wintersportregionen klare Kriterien dafür festlegen müssen, was ihnen und ihrer Volkswirtschaft die Bergbahnen wert sind – der Kanton Wallis versucht das zurzeit ebenso beispielhaft wie mühsam. Und nicht zuletzt sind da die sogenannten «Bauernlifte»: Hier verbinden sich – wie übrigens in jedem Gewerbe – grosses Herzblut mit ungewissem Einkommen. Auch und gerade das hat Zukunft und Charme.

Peter Grunder / GastroJournal

Skihalle im deutschen Neuss: Schon in den den 1920er-Jahren gab es erste Hallen, inzwischen sind es weltweit rund 50 mit 20 Millionen Eintritten.


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