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29.09.2019

Der Riese ist ein Zwerg geworden

Wie das Gastgewerbe aus der Politik verschwand

Am Wochenende des 20. Oktober wählt das Schweizer Stimmvolk sein Parlament für die nächsten vier Jahre. Das Gastgewerbe stellte zuletzt einen einzigen Nationalrat und dürfte kaum zulegen. Dabei war die Branche einmal eine prägende Kraft in Bern. Über die Gründe eines radikalen Abstiegs.

Auf den ersten Blick ist es fast unvorstellbar: Das Gastgewerbe hat die moderne Schweiz massgeblich geprägt. Von der Gründung des Bundesstaates 1848 bis zur Einführung des Proporzes 1919 sassen mehr als 50 Persönlichkeiten mit gastgewerblichem Hintergrund im National- oder im Ständerat.

Ob der Konservative Joseph Maria Bünter, Gastgeber im Wirtshaus Ochsen in Wolfenschiessen und für Nidwalden Mitglied im ersten Ständerat von 1848, oder ob der Progressive Friedrich Seiler, der in Interlaken die Pension Jungfrau führte und von 1848 bis 1883 im Nationalrat war. Ob Johannes Mesmer, Nationalrat in den 1850er Jahren und in Muttenz Wirt im Schlüssel, einem berüchtigten Treffpunkt bürgerlicher Revolutionäre, oder ob Karl Reichlin, Gastgeber im Kreuz zu Schwyz und an der Wende zum 20. Jahrhundert jahrzehntelang katholisch-konservativer Ständerat.

Damit wird auf den zweiten Blick klar: Das Gastgewerbe ist ein Abbild der vielfältigen, föderalistischen Schweiz – und des Majorz, diesem auf Personen ausgerichteten Wahlsystem. Das Gastgewerbe verschwand mithin aus dem Bundesparlament, als bei den eidgenössischen Wahlen 1919 der Proporz kam, der politische Gruppen gegenüber Personen bevorteilt.

Im aktuellen Bundesparlament, das im Oktober zur Wahl steht, sitzt gerade noch ein gastgewerblicher Vertreter: Alois Gmür, Brauer und Gastwirt im Rosengarten Einsiedeln und Nationalrat für den Kanton Schwyz. Dabei ist die Schweiz doch nach wie vor föderalistisch und das Gastgewerbe immer noch ein Abbild des Landes.

Das Gastgewerbe ist politisch besonders geeignet

Er halte Vertretungen des Gastgewerbes politisch für «besonders geeignet», bestätigte in GastroJournal Hans Wicki, aktueller Ständerat für Nidwalden und als Sohn des legendären Gastgeberpaares Bernadette und Hans Wicki vom Hotel Engel in Hergiswil immerhin im Gastgewerbe verankert.

Die politische Eignung des Gastgewerbes verbindet Ständerat Wicki nicht nur mit der gastgewerblichen Vielfalt, sondern auch mit der Branche selbst: Gastgewerbliche Unternehmer könnten «mit Menschen umgehen», sagt Wicki, «und sie sind es sich aus ihren Betrieben gewohnt, der Küche oder der Reception Vertrauen zu geben, zu delegieren und sich nicht um jedes Detail zu kümmern». Das seien «wichtige Fähigkeiten in der Politik», auch dort brauche es «eine Balance zwischen Detailwissen und Gesamtüberblick».

Ob gastgewerbliche Vertretungen bei den anstehenden Wahlen zurück ins Bundesparlament finden, ist freilich fraglich. Zwar stellen sich einige gastgewerbliche Persönlichkeiten zur Wahl, so in Basel Anna Götenstedt, Gastgeberin in der Restauration zur Harmonie und Vorstandsmitglied des Wirteverbands Basel-Stadt. Aber insgesamt bringt der Branchenverband GastroSuisse in seiner Wahlempfehlung schweizweit kaum ein Dutzend Kandidaturen mit direktem gastgewerblichem Bezug zusammen.

Statt Praktiker finden Populisten in Parlamente

Die geringe Präsenz dem politischen Unwillen des Gastgewerbes anzulasten, sich politisch einzusetzen, greift dabei zu kurz. Zwar sind gerade im Vergleich zum 19. Jahrhundert die Renditen im Gastgewerbe tiefer und die bürokratischen Aufwände höher. Dies verdeutlichte etwa Stephan Schiesser, Grossrat und Gastgeber im traditionsreichen Café Schiesser am Basler Marktplatz: Seine Eltern hätten einmal im Monat Bürotag gehabt, er hingegen müsse tagtäglich ins Büro.

Aber Persönlichkeiten wie Schiesser oder Götenstedt zeigen, dass politisches und unternehmerisches Engagement sich unter einen Hut bringen lassen und gegenseitig gar befruchten. Gewichtige Gründe für die politische Absenz von Gastgewerbe und Gewerbe liegen denn auch tiefer.

Einerseits erläuterte der frühere Bundesrat und Unternehmer Kaspar Villiger kürzlich in der NZZ: «Politiker haben in einer Demokratie den Anreiz, dem realpolitischen Prinzip der geringsten Anstrengung zu folgen». Das fördere Populisten statt Praktiker: «Die Gunst der Wähler geniessen oft nicht jene, die die Schwierigkeit der Problemlösungen schonungslos benennen und die zur Genesung nötigen Opfer in Aussicht stellen, sondern jene, die mit einfachen Rezepten schmerzlose Heilung versprechen.»

Andererseits wies der frühere, langjährige Obwaldner Ständerat Hans Hess schon vor Jahren auf die mangelnde politische Hausmacht des Gastgewerbes hin: Im Gegensatz zu Gewerkschaftern oder Landwirten haben Gastgewerbler nicht «ihre» Politiker und wählen einander auch nicht unbedingt.
Aber vielleicht ist es diesmal ja anders.

Peter Grunder

Das Gebot der Stunde: Praktiker statt Populisten ins Bundeshaus! Bild: Peter Grunder


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