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05.11.2025

«Böhmen-Käthe» und «Sachsen-Marie»

Animierdamen im Berlin des 19. Jahrhunderts

Der weltläufige, in St. Petersburg geborene und als Deutschbalte in Estland aufgewachsene adelige Hugo von Kupffer (1853-1923) gilt dank den «Reporterstreifzügen» 1886-1892 als einer der ersten deutschsprachigen Reporter modernen, amerikanischen Stils.

Hugo von Kupffer, zu Unrecht weitgehend vergessen, schrieb über spektakuläre Gerichtsprozesse im Justizpalast Moabit, über den Neubau der Berliner Kanalisation ebenso wie über eine Sonnenfinsternis. Der Schriftsteller und Journalist publizierte im beliebten, überparteilichen «Lokal-Anzeiger», der als sensationslüstern galt.

Sein sezierender Blick war gefürchtet, dennoch ist stets Mitgefühl zu verspüren mit den Verliererinnen und Verlierern der sich rasch modernisierenden und anwachsenden Metropole und Millionenstadt Berlin, die nicht zuletzt von der Substanz der Zuzügerinnen und Zuzüger lebte. So kam auch so manch eine Animierdame von auswärts, die «Böhmen-Käthe» beispielsweise oder die «Sachsen-Marie».

So hat sich Reporter Hugo von Kupffer auch direkt der Lebenswelt der Kellnerinnen in so genannten «Animierkneipen» gewidmet, deren Ruf um das Jahr 1880 herum denkbar schlecht war. Aufgetakelte, in Garderobe arbeitende, aber manchmal äusserst hübsche Kellnerinnen sollten, «Nymphen» gleich, im Auftrag des Wirts männliche Gäste unterhalten und zum Konsum möglichst teurer alkoholischer Getränke, mit Vorzug Rotwein oder sogar Sekt, «animieren» sollten.

War ein despektierlich «Gimpel» genanntes Opfer einmal tüchtig angetrunken, zeigte er sich oftmals spendierfreudig und grosszügig auch bei den heiss begehrten Trinkgeldern, denn: Lohn erhielten die «Mammseln» offiziell nicht, so dass sie allein von den teils immensen Trinkgeldern leben mussten. Ihre Einnahmen schwankten deshalb stark, reich wurde indessen kaum eine Animierdame, wenn sie auch beredt und an sich «liebenswürdig» war.

Dafür ruinierte die eine oder andere «Mammsel» ihre ohnehin angeschlagene Gesundheit, indem sie notorisch zu viel Alkohol trank und auch noch Zigarren rauchte. Zudem war die eine oder andere junge oder nicht mehr gar so junge Frau oftmals «übernächtigt», musste also mit viel zu wenig Schlaf auskommen, was sie auch durch Schminke kaum übertünchen konnte. Charakteristisch war auch das «Augenklimpern». Und die scharrenden Männer – Freiern gleich – waren stets gierig auf der Suche nach neuen, unverbrauchten Gesichtern und Körpern.

Eine spezielle Agentur bot den Animierwirten «frische» Frauen an wie ein Stück Vieh, begutbachtbar und gegen Provision. Zu Recht hat der kritische Hugo von Kupffer, der selbst vor Ort war, diese unmenschliche Praxis als einen modernen «Sklavenmarkt» angeprangert.

Wer länger im Geschäft bleiben wollte als Animierdame, musste lernen, perfekt Theater zu spielen, je nach zu unterhaltendem Gast eine adäquate Rolle zu spielen. Riss ein Gast derbe Zoten, und dies war oftmals der Fall, hatte die Animierdame sich auch Kraftausdrücken zu bemüssigen. Blieb der Gast ernst oder wurde er im Alkoholrausch sogar melancholisch und jammernd, hatte die Animierdame Tiefschürfendes und Philosophisches zum Besten zu geben. Und soziale Rollen konnten mehrmals pro Abend wechseln, was für eine Anforderung!

Quelle: Kupffer, Hugo von. Reporterstreifzüge. Die ersten modernen Reportagen aus Berlin. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Fabian Mauch. Düsseldorf: Lilienfeld Verlag, 2019.

Dr. phil. Fabian Brändle, Wil SG, Historiker und Volksschriftsteller

Bild: Lilienfeld Verlag


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