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20.01.2010
Megatrend Aufrichtigkeit
Zeitenwende auch für die Lebensmittelbranche
Die amerikanische Beratungs- und Marktforschungfirma "The Next Idea" sieht interessante Entwicklungen auf Restaurateure und Konsumenten zukommen. In beinahe philosophischer Manier erläutern die Experten ihre Prognosen.
"Um die Zukunft zu erahnen, müssen wir zunächst die Vergangenheit verstehen", schreiben Robert Ancill und Nicole Wood im Blog ihrer Firma "The Next Idea". Die letzten drei Jahrzehnte seien durch eine rasche Expansion von Restaurantketten gekennzeichnet gewesen, die konstante Qualität mit anständigem Service und einigermassen attraktiver Atmosphäre kombiniert hätten.
Obwohl in den Konzepten oft von "Differenzierung" die Rede sei, würden in Wirklichkeit sehr austauschbare Produkte angeboten. Der Fokus liege oft eher bei den Kosten und beim Marketing als bei wirklicher Innovation. Es sei Branchenstandard, industriell hergestellte Produkte zu verwenden.
"Aus kulinarischer Sicht, funktionieren die meisten Restaurantketten mit Fertigungsküchen – und nicht mit traditionellen Produktionsküchen, in denen qualifizierte Köche voller Berufsstolz Lebensmittel verarbeiten", bringen es die Leute von "The Next Idea" auf den Punkt.
Convenience sei die Hauptantriebskraft der Ketten, wobei leider weniger die Bequemlichkeit des Kunden im Mittelpunkt stehe, sondern die Erleichterung der operativen Abläufe. Nichtsdestotrotz führt diese Strategie zu Resultaten – momentan noch. Allerdings habe sich der Markt in den letzten 12 Monaten dramatisch verändert.
Um die aufkommende Branchentrends heraus zu destillieren, müsse man zunächst breitere Entwicklungen betrachten. Die Autoren von "The Next Idea" führen fünf Punkte an:
1. Gesundheit
Übergewicht, Krebs, Diabetes und Herzerkrankungen stehen so hoch auf der Agenda wie noch nie. Glutenfrei, laktosefrei, entkoffeiniert: Solche Begriffe gehören heute zum Alltagsvokabular. Die Einstellung der Bevölkerung zur Ernährung hat sich stark verändert. Die neuen Medien und Behördenkampagnen verstärken diesen Trend.
2. Supermärkte
Lebensmittelgeschäfte haben ihr Angebot an Premiumprodukten stark ausgebaut. Die Konsumenten können heute problemlos biologische, aber auch vegane oder sodiumarme Lebensmittel einkaufen. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen. Die Leute merken, dass es auch kleinere Hersteller gibt, die naturnah produzieren.
3. Wirtschaftslage
In Erwartung der steigenden Arbeitslosigkeit reagieren die Konsumenten besorgt. Sie verklein ihr Ausgabenbudget. Das Preis-Leistungs-Verhältnis wird noch wichtiger. Das gilt auch für Lebensmittel.
4. Umweltbewusstsein
Die grüne Bewegung prägt die heutige Zeit so stark wie kaum eine andere. Keine Branche kann sich dem entziehen, schon gar nicht das Lebensmittelgewerbe. Die Leute machen sich Gedanken zu Pestiziden, zu unnötiger Verpackung, zum Energieverbrauch und vielem mehr. Das beeinflusst Kauf- und Verzehrentscheide.
5. Langeweile
Die Konsumenten sind es leid, dass alles gleich schmeckt. Sie sind immer weniger bereit, vorproduzierten Standardfood zu akzeptieren. Die Verbraucher suchen frische, gesunde und hausgemachte Alternativen zu günstigen Preisen.
"The Next Idea" will beobachtet haben, dass sich die genannten externen Faktoren innert Jahresfrist rasant verstärkt haben. Das verändere das Fundament, auf welchem Restaurants ihre Strategien aufbauen. Ketten seien indes unfähig, schnell auf Veränderungen zu reagieren.
Die Konsumenten, ermüdet vom Rezessions-Gerede, warteten sehnsüchtig darauf, in eine neue Zeit aufzubrechen, meinen die Blogger von "The Next Idea". Andererseits sei es gerade die Rezession, die eine Zeitenwende erst möglich mache – so wie es beispielsweise des Zweiten Weltkriegs bedurfte, um die traditionelle Kultur des frühen 20. Jahrhunderts in die moderne "Konsumkultur" zu verwandeln.
Nach Meinung der Autoren hat sich fast unbemerkt eine Rückkehr zu alten Werten vollzogen, eine Art Postmoderne, die modernes Denken mit Traditionellem kombiniert. Entscheidend seien Aufrichtigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Das sei zwar keineswegs neu, doch eine Zeit lang seien diese Werte ein wenig in Vergessenheit geraten.
Das bedeutet die erneuerte Konsumkultur nach Meinung von "The Next Idea" für Restaurants:
1. Authenzität
Es muss einfach echt sein. Je mehr, desto besser.
2. Weniger Anmassung
Beim Essen geht es um Freude und Genuss, nicht darum, Eindruck zu schinden. Wenn das Essen toll aussieht, ist das grossartig. Wirklich entscheidend ist der Geschmack.
3. Neue Meinungsbildung
Expertenmeinungen verlieren an Gewicht. Die Leute orientieren sich künftig mehr an Bewertungsportalen und Freunden als an Michelin-Sternen.
4. Verhältnismässigkeit
Die Vorstellung, dass einige Küchen "besser" sind als andere ist nicht nur falsch, sondern auch arrogant. Das Überlegenheitsempfinden ist rein subjektiv – und die Leute wissen das.
5. Do it yourself
Die Anbieter von Speisen treten mit den Konsumenten in den Wettbewerb. Es wird wieder mehr Menschen geben, die ihre eigenen Gemüse anbauen, selber Fleisch pökeln oder gar Hühner halten. Wer das nicht tut, weicht auf Vertrauenslieferanten aus. Das eröffnet Chancen für gewerbliche Lebensmittelbetriebe, Bauernmärkte, "richtige" Bäckereien, Hausbrauereien und kleine Winzer.
Die Betrachtungen von "The Next Idea" enden nicht mit der Definition der "neuen" Kultur und ihren Postulaten. Die Gastronomie stehe vor vier wichtigen Veränderungen:
1. Bessere Qualität
Zwar werden nach wie vor viele dasselbe anbieten, doch die Unterschiede nehmen zu. Qualitativ überlegene, hauseigene Rezepte werden zunehmen. Als Beispiel nennt "The Next Idea" Konzepte mit "Gourmet Burgers", die mit Frische, besserer Fleischqualität, einer intimeren Atmosphäre und dennoch einem erschwinglichen Preis operieren.
2. Umwelt, Umwelt, Umwelt
Restaurants werden umweltbewusster. Das reicht von ökologischen Einrichtungsmaterialen über die Nutzung von Sonnenenergie bis hin zur Verwendung nachhaltig produzierter Rohstoffe und biologisch abbaubaren Verpackungen.
3. Technologie
Der Einsatz neuer Technologien eröffnet neue Möglichkeiten – von der Bestellannahme über die Warenbewirtschaftung bis zum SMS-Marketing. Online-Bestellungen und mobile Applikationen werden zunehmen.
4. Die Kleinen ganz gross
Restaurateure werden ihre Bauvolumen und Flächen überdenken. Viele werden zum Schluss kommen, dass kleinere Lokale besser rentieren. Davon könnten die Konsumenten profitieren, denn kleinere Etablissements bedeuten mehr Intimität, manchmal auch besseren Service und mehr Vertrauenswürdigkeit. Auch die Portionengrössen werden zurück gefahren – nicht in erster Linie aus Kostengründen, sondern weil die Verbraucher es wünschen.
Aufbauend auf den beschriebenen Entwicklungen und Prognosen, prophezeit "The Next Idea" zahlreiche Angebotsveränderungen. Zukunftsträchtig seien beispielsweise mobile Verkausfahrzeuge und asiatische Noodle Bars. Die Leute sehnten sich nach einfachem Essen ("anti-decadence-movement"), nach kleinen Lieferanten und währschaften Speisen ("homey cuisine").
Als die trendigsten ethnischen Küchen bezeichnet "The Next Idea" mediterran, peruanisch, marokkanisch und indisch. Die Trendzutat des Jahres 2010 sei Ingwer, die trendigste Zubereitungsart das Räuchern. Im Getränkebereich stehen die Zeichen ganz auf Tee ("the hip drink choice for the Twitterati").
Essen zuhause oder im Untergrund
Aus Gastronomensicht weniger erfreulich ist die Tatsache, dass mehr Heimkonsum vorhergesagt wird. Als Gegenrezept schlagen die Leute von "The Next Idea" vor, im Restaurant vermehrt das anzubieten, weswegen die Leute daheim bleiben: Ehrliche Speisen zu einem ehrlichen Preis und echte Gastfreundschaft.
Noch besorgniserregender ist ein Trend, der sich in den USA schon seit längerem abzeichnet und nun auch nach Europa zu schwappen droht: "Underground Restaurants" ohne Bewilligungen, zum Beispiel in alten Lagerhallen, in Wohnungen oder Garagen. Die neuen Medien erleichtern die Vernetzung der entsprechenden Communities.
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