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02.10.2009
Adäquates Marketing für sechs "strategische Gruppen"
Versuch einer Typologisierung des Gastronomiemarktes
Maren Lüth und Prof. Dr. Achim Spiller vom Institut für Agrarökönomie an der Universität Göttingen haben versucht, das Gastgewerbe zu typologisieren. In ihrem Beitrag "Qualitätssignaling in der Gastronomie" nehmen sie eine Aufteilung nach dem Porterschen Konzept der strategischen Gruppe vor.
Lütz und Spiller weisen auf die zunehmende Kettenbildung hin. Eine wesentliche Entwicklung sei auch der starke Zuwachs an neuen Wettbewerbern, die sich an der Schnittstelle des klassischen Gaststättengewerbes zu Handel, Freizeit und Verkehr etablieren. In ihrem Beitrag systematisieren die Autoren zunächst den Markt und schlagen dann adäquate Marketingstrategien für die einzelnen Gruppen vor.
Doch wie lässt sich das Restaurationsgewerbe so einteilen, dass die Betriebe innerhalb einer Gruppe sinnvoll miteinander verglichen werden können? Ein amerikanischer Ansatz wäre die Unterscheidung nach Quick Service und Full Service, allenfalls verfeinert durch Kategorien wie Casual oder Fine Dining. Hinzu könnten Begriffe wie Freizeit-, Handels- und Verkehrsgastronomie kommen.
Lüth und Spiller verzichten darauf genau so wie auf die traditionelle Dreiteilung nach speisenbetonter Verpflegungsgastronomie, getränkebetonter Unterhaltungsgastronomie und Gemeinschaftsverpflegung. Die Autoren bilden stattdessen "strategische Gruppen", um die Stellung der Unternehmen in ihrem Konkurrenzumfeld zu analysieren. Zur Charakterisierung werden das Preisniveau und der Systematisierungsgrad heran gezogen. So konnten sechs Gastronomie-Gruppen identifiziert werden:
1. Einzelbetriebliche Fastfood-Gastronomie
Imbissbetriebe und regionale Gastwirtschaften im Preis-Einstiegs-Bereich, mit einfachem, qualitativ aber heterogenen Speisenangebot. Geringe Einstiegsbarrieren hinsichtlich Kapital und Know-how. Hohes Beharrungsvermögen, oft dank ihres Charakters als Familienbetrieb ("Selbstausbeutung").
Wegen Kapitalknappheit scheiden Werbung und Markenaufbau als Qualitätssignale aus. Existenziell ist daher der Stammkundenanteil, der sich aus dem jeweiligen lokalen Umfeld zusammensetzt und vor allem über persönlichen Kontakt gewonnen wird. Ein ausgefeiltes Kundenbindungsmanagement erscheint aufgrund der beschränkten Ressourcen nicht möglich. Praktikabler sind kleine Incentives in Form von Gratis-Getränken ab einer bestimmten Bestellmenge, Mengenrabatten ("der zehnte Döner ist gratis"), Studentenpreisen oder Probeverkostungen.
2. Systematisierte Fastfood-Gastronomie
In der Regel in einem ähnlichen Preissegment wie die oben genannte Gruppe, jedoch vor einem ganz anderen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. Filial- und zunehmend auch Franchiseunternehmen, die überproportional zum Gesamtmarkt wachsen. Eine hohe Markenbekanntheit garantiert rasche Erfolge.
Skaleneffekte in der Beschaffung. Starke markenpolitische Aktivitäten. Wettbewerbsvorteile dank guter Möglichkeiten zur Produkt- und Prozessstandardisierung. Aufgrund der Flächendurchdringung sind grosse, effiziente Werbekampagnen möglich. Insbesondere an Standorten mit grosser Kundenfluktuation verlassen sich Menschen gerne auf die bekannten und standardisierten Angebote. Die persönliche Stammkundenbindung tritt hinter die Markenbindung zurück.
3. Hochwertige Systemgastronomie
Die Konzepte erfordern ein standardisierbares Speisenangebot und bieten nur wenige Möglichkeiten für lokale Differenzierungen. Regionale und saisonale Spezialitäten verlangen ein differenziertes Beschaffungsmanagement und ein hohes Know-how der Fachkräfte. Personalführung ist bei differenzierten Anforderungen der Gäste nicht mehr allein über Systemhandbücher und ein ausgefeiltes Prozessmanagement zu leisten. Daraus ergeben sich Wachstumsgrenzen.
Markenpolitik ist für dieses Segment als Qualitätssignal nur bedingt geeignet. Hohe Servicequalität auf Grundlage von Mitarbeiterzufriedenheit und Kreativität in Form von abwechslungsreichen Speisekarten haben einen grossen Einfluss auf das Urteil der Gäste. Die klassische Werbung dagegen stellt aufgrund der geringen Verdichtung in der Fläche und der damit verbundenen ungünstigen Kosten-Nutzen-Relation ein problematisches Instrument dar.
4. Sternegastronomie
Die Betriebe heben sich durch ihre international anerkannten Chefköche hervor, deren Namen als Qualitätszeichen angesehen werden. Individualität und höchste Qualität des Angebotes. Der Umsatz wird über hohe Bonwerte und weniger über die Zahl der Gäste generiert. Hohe Qualitätsunsicherheit der Kunden, weil das wahrgenommene Konsumrisiko aufgrund der Preisstellung steigt. Wegen des überregionalen Einzugsgebiets kann nur bedingt auf persönliche Empfehlungen zurück gegriffen werden.
Klassische Marketinginstrumente sind von vergleichsweise geringer Bedeutung. Vielmehr spielen Gastronomieführer für den Bekanntheitsgrad eine zentrale Rolle. Diese sind "Clubs im Buchananschen Sinne": Die Restaurantkritiker vergeben eine Reputation an eine begrenzte Anzahl von Mitgliedern. Diese Exklusivität bildet die Voraussetzung für höhere Preise. Die Teilnahme am Club setzt ein langjähriges "Hocharbeiten" voraus. Es sind nicht allein die Kochkünste, sondern ebenso die Einbindung in ein Netzwerk aus Gastronomiekritikern und etablierten Berufskollegen, die einen Beitritt zum "Club" ermöglichen.
5. "Bürgerliche" Küche
Oftmals Familienbetriebe in eigenen Immobilien, die relativ kostengünstig arbeiten, auf Angestellte aber nicht mehr verzichten können. Als Qualitätssignal dominiert der persönliche Kontakt des Wirtes zu seinen Gästen. Ein Mangel an Kapital schliesst klassische Werbung weitgehend aus. Stammkundenbindung, lokale PR und Sponsoringaktivitäten stehen im Vordergrund.
Ein systematisches Kundenbindungsmanagement stellt ein interessantes Instrument dar, um sich langfristig zu etablieren. Die drei zentralen Elemente: Beschwerdemanagement (schneller und effektiver Umgang mit Reklamationen), Kundenzufriedenheitsmanagement (von der Zufriedenheitsmessung bis hin zur Motivation des Personals) und ein datenbankgestütztes Customer-Relationship-Management zur gezielten Ansprache kleiner Nischen oder einzelner Konsumenten.
6. Trend- und Szenegastronomie
Die Betriebe setzen auf das Abwechslungs- und Neuigkeitsstreben vieler Konsumenten und treten sowohl als kleinere Filial- oder Franchisesysteme wie auch als Einzelbetriebe am Markt auf. Die geringe Fertigungstiefe und die Angebotsstandardisierung sind vergleichbar mit der Systemgastronomie. Für ein klassisches Markenkonzept fehlt die Filialdichte. Andererseits fehlt auch der direkte persönliche Kontakt des Betriebsinhabers zum Kunden.
Vergleichbar zur Sternegastronomie wird versucht, über Szeneführer ein Referenzsystem aufzubauen. Mund-zu-Mund-Werbung wird aktiv initiiert. Die Identifikation neuer Modeströmungen, die zielgerichtete Ansprache von Meinungsführern und besondere Events sind Schlüsselinstrumente eines auf die Erzeugung von Hypes gerichteten Marketings. Überraschende und witzige Werbeideen statt fade massenmediale Werbung. Events, die sich unter der Hand herumsprechen, können den Kult-Charakter eines Betriebes ausmachen.
Qualitätssignaling in der Gastronomie
Maren Lüth und Prof. Dr. Achim Spiller, Februar 2003
Institut für Agrarökonomie der Universität Göttingen
- Universität Göttingen
- History Marketing als Chance für alteingesessene Betriebe
- Fastfood-Ketten überrumpeln traditionelle Gastronomen
Dossiers: Gastronomie | Marketing
Permanenter Link: https://www.baizer.ch/aktuell?rID=1633
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