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22.11.2023

«Restaurant du coeur» zeigt es den Zweiflern

Wärmestube, Cateringdienst, Beschäftigungsprogramm

Aus einer absurd erscheinenden Idee entwickelte sich ein funktionierendes Konzept. Hinter dem Bahnhof SBB finden Obdachlose eine wärmende Stube und eine Mahlzeit. Quasi als Nebenprodukt entstand ein Restaurant- und Cateringbetrieb, der Asylsuchenden eine Beschäftigung bietet.

Seit 2012 besteht an der Solothurnerstrasse 8, in einer Liegenschaft der SBB, eine Wärmestube für Menschen, die kein eigenes Wohnzimmer haben. Der Treffpunkt mit dem Namen «Soup & Chill» bietet all jenen einen Ort der Ruhe, die auf der Gasse oder in prekären Verhältnissen leben. Und jeden Tag gibt es ein Abendessen.

Als infolge der Revolutionen in Tunesien und Ägypten und der Kriege in Syrien und Afghanistan immer mehr junge Menschen nach Europa und auch in die Schweiz kamen, suchten viele von ihnen Arbeit und wollten in der Wärmestube helfen.

«Am meisten habe ich davor Angst, dass es mir eines Tages egal ist, dass ich keine Arbeit habe, sondern einfach vor dem Asylheim sitze, warte, dass der Tag vergeht und zu trinken beginne!» Es war dieser Satz eines jungen Eritreers, der den Startschuss für die Planung eines Lokals gab, das schon bald darauf unter dem Namen «Restaurant du coeur» eröffnete.

Es stand ein Raum mit einer guten Gastro-Küche zur Verfügung, der täglich 15 Stunden leer stand. Hinzu kam die Arbeitskraft und die Arbeitslust von Asylsuchenden, für die ein Beschäftigungsprogramm kreiert wurde. Zudem liefert die «Schweizer Tafel» bis heute Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden.

Zwei Frauen mit Kochleidenschaft, die Ägypterin Hoda El Sherif und Claudia Adrario de Roche, Leiterin von «Soup & Chill» mit österreichisch-italienischen Kochgenen, formten 2017 eine Gruppe aus Asylsuchenden und legten los.

Gäste spenden, so viel sie wollen

Seither gibt es jeweils von Montag bis Freitag einen Mittagstisch mit einem «Menu Surprise» sowie Caterings im und ausser Haus. Da die Lebensmittel von der Schweizer Tafel nicht verkauft werden dürfen, gibt es nur Orientierungspreise: die Gäste spenden, soviel sie wollen.

Die Stimmen, das so ein Konzept nicht funktionieren könne, waren zahlreich. Es hiess «Wahnsinn, das klappt nie!» und «Ihr habt keine Erfahrung!», «die Leute tun nichts in den Spendentopf» und «die Asylsuchenden sind zu unzuverlässig». All diese Kommentare erwiesen sich als falsch.

Die praktische Seite war nie ein Problem. Die Schwierigkeiten lagen vielmehr im Bereich der Genehmigungen durch die Asylbehörden in Bezug auf die Arbeitsbewilligungen.

«Die Bedingungen in den kantonalen Beschäftigungsprogrammen sind sehr problematisch», sagt Adrario de Roche. «Ausbilderbetriebe» wie zum Beispiel das Restaurant du coeur bekommen für die Beschäftigung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer keine Entschädigung.

Die Teilnehmenden selbst erhielten bis Ende 2022 pro Stunde 3.30 Franken. Seite diesem Jahr sind es nur noch 1.20 Franken pro Stunde. «Sie müssen also wirklich sehr motiviert sein, um an fünf Tagen in der Woche zur Arbeit ins Resto zu gehen, um dort Gemüse zu rüsten, Lebensmittelkisten zu schleppen, Platten zu dekorieren und zu verpacken oder stundenlang an Buffets zu stehen», so Adriaro de Roche.

Als Küchenchefin fungiert May Missaoui, eine Diplombiologin aus Tunis, die in der Schweiz Probleme mit der Anerkennung ihrer Abschlüsse hat. Sie hat das Team gut im Griff: Sie instruiert, übersetzt, erklärt unermüdlich, macht Küchenpläne, Arbeitspläne…

Derzeit besteht das Team aus Türkinnen, türkischen Kurdinnen, arabischen und kurdischen Syrerinnen, einer kurdischen Irakerin, zwei Mitarbeitenden aus Afghanistan und einer Frau aus dem Iran. Politische Probleme, Konflikte oder Katastrophen wie das Erdbeben Anfang 2023 erschüttern die jeweils Betroffenen und das Team als Ganzes.

Zweimal pro Woche wird in den Räumen des Betriebs Deutsch unterrichtet. Ein pensionierter Lehrer führt einen Alphabetisierungs- und einen Fortführungskurs durch. Die Kurse werden rege genutzt, die Arbeitspläne drumherum gestaltet.

«Unsere gemeinsame Sprache ist Deutsch», erklärt Adrario de Roche, «unsere gemeinsamen Ziele sind die gleichen wie diejenigen jedes ‘normalen’ Gastrobetriebs: Pünktlichkeit, Qualität, Freundlichkeit.»

Gekocht wird nach einem einfachen Prinzip: Jede Köchin kocht genau das, was sie in ihrer Heimat von ihrer Mutter oder Grossmutter gelernt hat. Dadurch sind alle Speisen absolut authentisch und die Buffets sehr vielfältig.

«Manger sans frontières» heisst ein Catering-Buffet mit Spezialitäten rund ums Mittelmeer. «Das gastronomische Ziel ist es, unsere Gäste zu erfreuen und zum Staunen zu bringen», erläutert die Leiterin. Das scheint zu gelingen, denn das Auftragsbuch ist zum Platzen voll.

Seit 2022 hat der Verein «Soup & Chill» den Auftrag, für den Mittagstisch in der FHNW, Abteilung für Wirtschaft, zu kochen. Der Sozialbetrieb beliefert zudem das Stadtkino, die SBB, private Feste, Kirchen und Kongresse.

Menschen aus der Abhängigkeit lösen

Mindestens so wichtig ist das soziale Ziel. «Wir lösen Menschen aus der Abhängigkeit der Sozial- oder sogar Nothilfe, indem wir sie im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms trainieren und ihnen dann entweder selbst einen Arbeitsvertrag anbieten oder sie in andere gastronomische Betriebe vermitteln», so Adrario de Roche.

Genannt seien zwei schöne Beispiele: Die Servicechefin Selam Karsay aus Eritrea und Wabi Leda aus Äthiopien. Beide erhielten erst nach langem Kampf eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung. Jetzt steht Selam auf eigenen Beinen: Sie hat eine Arbeit, die sie freut und ernährt. Und Wabi hat einen 100-Prozent-Arbeitsvertrag, einen Führerschein und eine eigene Wohnung. Sein nächstes Ziel ist es, den Fähigkeitsausweis zu erwerben.

Das Restaurant du coeur erschien vielen zunächst als absurde Idee, doch das Konzept funktioniert: Menschen, die sonst keine Arbeit hätten, erkochen aus Lebensmittel der Schweizer Tafel, also Abfall, einen «Mehrwert». Der Spendenertrag bezahlt die Löhne der Resto-Angestellten und unterstützt zusätzlich eine soziale Institution, die Wärmestube «Soup & Chill». Die Beharrlichkeit und Kreativität der Initianten haben sich ausgezahlt.

restaurant-du-coeur.ch / soupandchill.com

Restaurant du coeur, Basel

Das hochmotivierte Team um Claudia Adrario de Roche. restaurant-du-coeur.ch


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